Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Jungvermählter und einer Inbrunst, die wir seit unserer Ankunft in Venedig nicht mehr gekannt hatten, und weder sie noch ich machten uns Gedanken darüber, dass es Karfreitag war und wir eine Todsünde begingen.
4.
A
m Samstag weckte uns der Widerschein der Morgensonne auf dem weißen Marmor des Doms, kurz bevor die Glocken des campanile mit Macht begannen, den Tag einzuläuten. Das dröhnende Schwingen und die blendende Helle, die mir entgegenschlugen, als ich die Fensterläden aufstieß, waren gleichermaßen betäubend. Ich hatte nackt geschlafen, wie Jana es mich in den letzten Jahren gelehrt hatte, und ich fröstelte, als ich vor der Morgenkühle zurücktrat. Als ich mich umdrehte, war das Schlafzimmer wie erleuchtet durch die Sonnenreflexion des mächtigen Dombaus direkt vor uns. Jana kniff die Augen zusammen und hielt sich eine Hand vor das Gesicht. Die Haube, die sie sich zum Schutz ihrer Frisur vor dem Schlafengehen aufgesetzt hatte, war verrutscht und hatte ihrer Bestimmung keinerlei Genüge getan.
»Wach auf«, sagte ich. »Genug geschlafen.«
»Mach die Läden zu«, murmelte sie. »Es ist so hell.«
Ich griff nach meinem Hemd, das durch unsere nächtlichen Aktivitäten irgendwie den Weg bis auf den Boden vor dem Fenster gefunden hatte. »Ich kann nichts recht machen«, seufzte ich, während ich es überstreifte.
»Doch, du kannst. Sag dem Gesinde, sie sollen etwas zu essen zubereiten. Ich bin so hungrig wie ein Pferd. Haben wir gestern Abend überhaupt noch etwas zu uns genommen?«
Ich kleidete mich fertig an und ließ Jana mit ihrer Toilette im Schlafzimmer allein. Durch den Innenhof zog bereits der Duft einer Getreidesuppe. Ich hatte versäumt, mir in der Wasserschüssel im Schlafzimmer das Gesicht zu waschen. Da sich Jana vermutlich im Augenblick säuberte, war mir der Rückweg versperrt. Kurz entschlossen hielt ich beide Hände unter den Strahl des Springbrunnens, klatschte mir das Wasser ins Gesicht und spülte mir den Mund aus. In der Küche, in die ich auf der Suche nach einem Stück Tuch zum Abtrocknen tappte, hing Stepan Tredittore herum und trank missmutig Wasser aus einem Tonbecher. Der Wein wurde offensichtlich unter Verschluss gehalten: Es war noch Fastenzeit. Das florentinische Gesinde, das wir mit dem Haus gemietet hatten, warf ihm schiefe Seitenblicke zu. Er hatte sich unter ihnen schon beliebt gemacht. Eine ältere Frau fragte mich, ob sie die Suppe auftragen solle, was ich mit einigen Mühen verstand; ich bat sie ebenso mühsam, auf Jana zu warten. Es wurde eine lange Wartezeit, und ich lächelte trotz meines knurrenden Magens beim Gedanken daran, wie sie versuchte, Form in ihr langes, zerzaustes Haar zu bringen.
Nach der Suppe, die von Wasser und Brot begleitet wurde und Jana ein leises Seufzen entlockte – Fastentage waren nicht ihre Stärke –, übergab sie Stepan Tredittore fünf gefaltete und versiegelte Pergamente. Er nahm sie erstaunt entgegen und fächerte sie vor seinen Augen auf, um die Aufschriften zu lesen.
»Bitte sorgt dafür, dass diese Schreiben an die jeweiligen Empfänger gehen«, sagte sie knapp.
»Ich wollte die Messe besuchen.«
»Es war bereits eine Morgenmesse. Habt Ihr die versäumt?«
»Nun, ich plante, Euch zu begleiten, wenn Ihr geht.«
»Herr Bernward und ich sind die Herrschaft«, versetzte sie kalt.
»Ihr hättet mit dem Gesinde in die Morgenandacht gehen können – oder gar nicht, wie es Euch beliebt.«
Er lief puterrot an und legte die fünf Briefe so vorsichtig auf den Tisch, als wären sie rohe Eier. Sein Blick fiel auf Janas Zofe, die sich hinter Janas Stuhl hielt, die Augen auf den Boden gerichtet. Sein Gesicht wurde noch dunkler, als ihm bewusst wurde, dass diese Demütigung vor den Augen des Mädchens erfolgt war. Ich hielt den Atem an und wartete darauf, dass er sich widersetzte. So hart hatte Jana ihn bisher noch nicht angepackt. Offenbar hatte sie beschlossen, hier, endlich an ihrem Ziel angelangt, entschlossener als während der Reise aufzutreten.
»Was ist?«, fragte Jana spitz. »Gefällt Euch der Auftrag nicht? Ihr könnt in Florenz spazieren gehen. Wenn Ihr nebenbei diese Briefe abliefert, ist alles in Ordnung.«
»Spazieren gehen?«, würgte er. Fast fielen ihm die Augen heraus.
»Nennt es, wie Ihr wollt.«
Er sah mich an, als erwarte er Hilfe. Seine Schultern sanken herab, während widerstreitende Gefühle über sein Gesicht huschten. Schließlich stand er ruckartig auf, nahm die Briefe an sich, verbeugte
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