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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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Kappe mit der steif zurückgeschlagenen Krempe passte zu ihrem honigfarbenen Haar und die Brosche darauf zu der feinen Perlenkette um ihren Hals.
    »Das Kleid hat schon zu lange in der Truhe gelegen«, sagte sie schulterzuckend.
    Ich begleitete sie überrascht hinaus. Der Domplatz wimmelte vor Leuten, die auf und ab schlenderten oder auf den hohen Simsen vor den Häusern saßen, und Jana stolzierte an meinem Arm an ihnen vorbei, als gelte es unter allen Umständen, Eindruck zu machen. Ich sah, wie einige ältere Männer in feinen Kleidern die Köpfe zusammensteckten. Wenn einer von ihnen Geschäftsmann war und Jana in den nächsten Tagen an ihn herantrat, würde er sich unter Garantie an diesen Auftritt erinnern. Ich kam mir plötzlich vor wie ein zerzauster Bär, der neben einer jungen Tänzerin hergeführt wird, damit der Kontrast ihre Anmut unterstreiche.
    Während Jana das Defilee der erstaunten Augen und des Getuschels abnahm, hatte ich Muße, die Flanierer um mich herum zu betrachten. Die Männer waren in Mäntel gekleidet, die bis zu den Waden reichten, mit langen Ärmeln und aus schwerer Wolle, die der frühlingshaften Temperatur nicht entsprach. Andererseits waren die Florentiner an größere Hitze gewöhnt -vielleicht empfanden sie die Luft, die mir angenehm erschien, bereits als kalt. Unter den Mänteln, die immer wieder geöffnet wurden, um mit der Kleidung zu prunken, trugen sie kurze Röcke mit Gürteln um die Leibesmitte, lange Strümpfe, die bis unter den Rock reichten, oder die Beinlinge von eng anliegenden Hosen. Bei allem herrschte die Farbe Rosa vor; so, wie die Männer in Venedig bevorzugt Schwarz getragen hatten. Mir gefielen beide Farben nicht. Die Florentiner, alte wie junge Männer, hatten die Gesichter glatt rasiert. Das Haar um die bläulichen Wangen war zumeist schulterlang, und viele hatten sich hohe, kegelförmige Hüte aufgesetzt, deren Krempe vorn heruntergezogen war und hinten hochgezogen. Ein paar ältere Männer trugen eine Art ausgestopfte Rolle auf dem Kopf, von deren einer Seite ein Tuch auf die Schulter herabfiel und um den Hals gewunden wurde. Selbst mir, nicht gerade ein Kenner der vorherrschenden Mode, schien diese Kopfbedeckung altmodisch.
    Die Frauen der Patrizier und Kaufleute auf dem Platz waren deutlich in der Minderzahl. Sie schienen die Nachmittagsmesse besucht zu haben und nutzten jetzt die seltene Gelegenheit, den goldenen Käfigen ihrer palazzi entkommen zu sein. Die meisten von ihnen waren blond. Das war es, was mir zuerst auffiel. Noch nicht einmal jenseits der Alpen hatte ich so viele blonde Frauen auf einmal gesehen. Nach einer Weile und nach einem prüfenden Blick auf Janas honigfarbene Haartracht wurde mir klar, dass die meisten ihre Haare gefärbt hatten oder fantasievolle Toupets trugen. Die Frisuren waren zu Hörnern gedreht, in Wellen erstarrt, in Kränzen über den Ohren geflochten, mit silbern- und goldfunkelnden Bändern zu wahren Landschaften getrimmt, aus denen Geschmeide und farbige Steine tropften. Die Kopfbedeckungen der unverheirateten jungen Mädchen waren so sparsam, dass sie mehr einem zusätzlichen Schmuckstück glichen als einer züchtigen Verhüllung des Haupthaars; von den verheirateten Frauen machten nur die älteren überhaupt Anstalten, sich das Haar zu bedecken. Einige allerdings trugen weite Strohhüte, die den Teint vor der Sonneneinstrahlung schützen sollten – sie trugen sie jedoch in den Händen. Auf manchen Köpfen hätte sich für sie auch keinerlei Platz gefunden. Im Gegensatz zu dieser freimütigen Zurschaustellung des Haupthaars waren die Gesichter der Frauen und Mädchen bar jeden Härchens: Die Augenbrauen waren gezupft, und selbst die Stirnen waren hoch ausrasiert. Jana schien dafür nicht viel übrig zu haben, was mich erleichterte. Sie verzog das Gesicht, als sie in einige völlig reglos scheinende Frauenantlitze blickte, in denen die heftig rot geschminkten Wangen die einzigen Gesichtskonturen bildeten und die stark mit Kohle umrandeten Augen wie zwei dunkle Löcher im blassen Teint wirkten.
    Jana versteifte sich plötzlich und blieb stehen. Ein Mann kam in Begleitung zweier Frauen aus dem vom Nachmittagslicht hell erleuchteten südlichen Eingang des Doms gleich hinter dem Turm. Wir standen so dicht davor, dass er uns fast auf die Füße trat. Er war mittelgroß, mit kurz geschorenen Haaren auf einem eckigen Kopf, schweren Augenlidern und hochgezogenen Augenbrauen, die seine Stirn in tiefe Querfalten legten und ihm ein

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