Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
ein Vermögen gekostet haben mussten. Im Erdgeschoss befanden sich außer den Vorratsräumen und einem Stall die Küche, ein Raum für das Gesinde und ein paar leer stehende Gewölbe, die man an andere Kaufleute oder Handwerker vermieten konnte. Schließlich zerrte sie mich in den Innenhof.
Ich sah nach oben. Der Innenhof war nicht überdacht. Jetzt war er fast kalt; im Sommer würde er lediglich angenehm kühl und doch hell erleuchtet sein vom Tageslicht. Das Wasser plätscherte. Ich stellte mir vor, hier zu sitzen und Wein zu trinken und die Fresken zu betrachten, während draußen der Straßenstaub in der Augusthitze flimmerte.
»Hast du mir jetzt alle Wunder dieser Behausung gezeigt?«, fragte ich lächelnd.
»Noch nicht ganz«, sagte sie. Ich folgte ihr wieder über die Treppe nach oben in den zweiten Stock. Jana wandte sich zu einer Tür, die schwerer und größer war als die anderen, und stieß sie auf. Sie öffnete sich in eine Loggia, die auf die Hauptstraße und auf den Domplatz blickte. Wir traten hinaus, und Jana führte mich um die Ecke herum.
Ich hatte nicht darauf Acht gegeben, als ich mit Johann Kleinschmidt vor dem Haus angekommen war; umso mehr überraschte mich der Anblick jetzt. Die Apsis des Doms ragte direkt vor uns auf, so nah, dass es schien, durch die eckigen Tragsäulen des Dachs danach greifen zu können. Das Haus von Ser Vespucci lag an der südöstlichen Ecke des Platzes, auf dem sich Santa Maria del Fiore erhob, an einer Gasse, die fast gerade nach Osten hinaus führte. Die Seite der Loggia, zu der mich Jana geführt hatte, sah nach Westen, und dort, umrahmt vom Licht der untergehenden Sonne direkt hinter ihr, stand der Dom – blickfüllend, in den Horizont ausgreifend und in all seiner Massigkeit doch zart schwebend; als ruhte die gewaltige Kuppel nur auf einer Wolkenformation aus Apsiden, Tempietti und Exedren wie in einem eingefrorenen Augenblick. Weißer Marmor leuchtete golden vom Widerschein des Sonnenuntergangs, strukturiert von den Rechtecken des dunkleren Gesteins und den wolkigen Schatten der Konsolen, auf denen sich eine umlaufende Balustrade abstützte. Die gewaltigen Rundfenster des Kuppelbaus starrten von jeder Flanke, ihre Glasfenster goldene Splitter im schwindenden Licht oder tiefblaue Brunnen, die in das Innere der Kirche hineinzuführen schienen. Die Ziegeldächer der Tribünentempietti, die Kuppeln der Sakristeien und endlich die große Kuppel des Doms waren von einem tiefen Terrakottarot, wo sie das Licht noch auffingen, und samten erdfarben, wo die Schatten über sie fielen. Ich schüttelte den Kopf und trat zum Rand der Loggia, um den Anblick in seiner Gänze einzufangen. Ich hatte beim Herweg gedacht, dass die Gebäude auch dieser Stadt nur Häuser waren; jetzt erkannte ich, dass sie in Wahrheit Kunstwerke darstellten. Nicht, dass es nicht weitaus schlechtere Möglichkeiten gegeben hätte, seinen Reichtum zu preisen. Neben dieser Zurschaustellung erkannte ich jedoch in der Fülle der Bauwerke, in dieser wahren Explosion aus Marmor, Ziegeln und Glas, die der Dom darstellte, eine inbrünstige, laut jubilierende Lobpreisung des Herrn. Es musste dem Architekten zuzuschreiben sein, dass diese Absicht unter all dem Pomp noch deutlich sichtbar war. Santa Maria del Fiore stieg vom Pflaster des Platzes auf wie ein gewaltiges Gebet. Unwillkürlich verglich ich sie mit dem Bauwerk des Martinsdoms in meiner Heimatstadt, dessen wuchtige Strenge mir selbst in seinem unfertigen Zustand immer wie ein steingewordenes Paternoster vorgekommen war, das sich inmitten der Patrizierhäuser erhob. Hier war das Gebet kein Paternoster; hier war es ein Kyrie eleison, ein Jauchzen und Lobet den Herrn, als wären die triumphierenden Noten eines ganzen Chorais Stein geworden und im Augenblick ihres Aufsteigens erstarrt. Ich drehte mich zu Jana um.
»Wir sind in Florenz«, sagte sie und zuckte mit den Schultern.
Von der Loggia führte eine Tür mit verstellbaren Lamellen in einen vergleichsweise kleinen Raum. Ein Bett mit hohem Fuß- und noch höherem Kopfteil stand frei in der Mitte des Raums auf einem Podest, in das Truhen eingearbeitet waren. Die Laken waren weiß, der Boden aus gewachstem Holz, das einen leisen Honigduft von sich gab, und die Nachmittagssonne hatte das Zimmer angenehm erwärmt. Ich sah Janas und meine Kleidertruhen in einer Ecke stehen. Das Bett war breit genug für zwei. Ich folgte Janas Hand. Wir liebten uns auf den frischen Laken mit der Heftigkeit zweier
Weitere Kostenlose Bücher