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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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sich vor Jana und mir und schritt steifbeinig davon. Janas Zofe räusperte sich und huschte an seinen leeren Platz, um die halb gegessene Suppe wegzuräumen.
    »Ich dachte einen Augenblick, er wirft dir die Schreiben vor die Füße«, sagte ich. Jana drehte sich zu mir um. Ihre Augen blitzten.
    »Das konnte er nicht. Wenigstens nicht vor Zeugen. Er ist immer noch mein Dienstbote, ganz gleich, wie er sich vorkommt oder was er für Anweisungen von meinen Vettern erhalten hat. Wenn er sich mir derart widersetzt hätte, hätte ich ihn ohne weiteres den Behörden anzeigen und eine Strafe fordern können. Dann wäre er mit Ruten ausgestrichen oder auf den Esel gesetzt und danach ein paar Tage in den Bau geworfen worden. Abgesehen von der Schande, hätte er dann nicht verfolgen und notieren können, wie ich mit meinen Geschäften hier Schiffbruch erleide. Und das war ihm klar.«
    »Jana«, sagte ich ruhig, »die Behörden hätten dir keine Sekunde lang zugehört. Du hast dich in die Stadt hereingeschmuggelt. Was die Behörden angeht, bist du gar nicht da.«
    »Ich weiß«, sagte sie und funkelte mich an. »Und wenn er nicht so ein aufgeblasener Idiot wäre, würde ihm das auch bewusst. Aber so weit zu denken, lässt seine Arroganz nicht zu.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Willst du mich jetzt vielleicht dafür maßregeln, dass ich diesen kleinen Widerling gedemütigt habe?«
    »Nein, aber…«
    »Was ›aber‹?«
    »Wenn er weiter gedacht hätte, als du ihm zubilligst, wärst du die Gedemütigte gewesen. War dir das nicht klar? Wenn er diese Spiegelfechterei gewonnen hätte, wäre er dir in Zukunft auf der Nase herumgetanzt.«
    »Man muss eben manchmal etwas riskieren«, sagte sie mit einem deutlichen Seitenblick zu mir. Ich verzog das Gesicht. Jana stieß die Luft aus. »Es tut mir Leid«, murmelte sie.
    Ich sagte: »Ist schon gut«, aber das war es nicht. Meine fröhliche Stimmung war verflogen. Janas ebenfalls; sie rührte mit ihrem Löffel in der Suppenschale herum und warf ihn schließlich auf den Tisch. Sie stand auf. »Wichtig ist, dass die Briefe so schnell wie möglich ihre Empfänger erreichen, sonst nichts«, brummte sie.
    »An wen sind sie gerichtet?«, fragte ich ohne wirkliches Interesse.
    »An ein paar wichtige Männer hier in der Stadt. Es sind nur ein paar Zeilen, mit denen ich mich empfehle. Ich habe sie geschrieben, während du hier auf mich gewartet hast.«
    Ich sah sie an.
    »Warum ziehst du so ein beleidigtes Gesicht?«, stieß sie hervor.
    »Hast du gedacht, ich vertrödle meine Zeit hier? Oder wäre es dir lieber gewesen, ich hätte sie gestern Abend noch verfasst?«
    Ich schwieg. Wenn ich von ihrer Begeisterung gestern vielleicht darüber getäuscht worden war, welchen Zweck unser Aufenthalt in Florenz tatsächlich hatte, dann hatten ihre Worte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Es gab keinen Grund für mich, verletzt zu sein. Unter anderen Umständen hätte sie mich womöglich gefragt, ob ich ihr beim Abfassen der Briefe behilflich sein könnte. Sicherlich hatte sie sie in Latein geschrieben. Sie hatte mich nicht gefragt, weil sie nicht mehr genügend Vertrauen zu mir hatte, um mich über ihre Absichten aufzuklären.
    Ich war verletzt. Ich stand auf und ging nach draußen, kurz nachdem Jana den Raum verlassen hatte. Die Getreidesuppe lag wie ein See aus Blei in meinem Magen.
     
    Es wurde Nachmittag, bis Jana ihre Unterlagen aus den Reisetruhen genommen und sortiert und ihre geschäftlichen Strategien geplant hatte. Ich streifte währenddessen durch das Haus, um nicht sehen zu müssen, wie ihr normalerweise eifrig glühendes Gesicht seit Venedig einen harten Zug bekommen hatte, wenn sie sich mit ihren Geschäften befasste. Irgendwann gesellte sie sich zu mir, als ich vor dem Springbrunnen stand und gelangweilt die Hände unter den Wasserstrahl hielt, um ihn umzuleiten. Sie massierte sich den Rücken.
    »Ich muss ein wenig hinaus«, sagte sie. »Den ganzen Winter über habe ich mich nach der Wärme gesehnt. Auf der Reise bekam ich auch nur Staub zu schlucken. Lass uns auf den Platz hinausgehen.«
    Ich drehte mich um und sah, dass sie sich zurechtgeputzt hatte. Sie trug ein dunkelblaues Kleid mit einem weit heruntergezogenen Kragen, dessen Oberteil wie angegossen saß und dessen Gürtel locker auf ihren schlanken Hüften lag. Der lange Rock war mit einem strahlend roten Saum abgeschlossen; vom Gürtel baumelte ihre schönste Börse an einer langen Kette. Die ebenfalls dunkelblaue

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