Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
war? Ich weiß nicht… Vor einem guten Jahr oder so hat man ihm das Amt wieder entzogen. Es war ein großer Skandal.«
»Der perfekte Verschwörer.«
»Wie kann man so einen als Geschäftspartner aussuchen«, sagte Tredittore abfällig. Ich sah ihn an, aber außer ihn anzuschreien fiel mir nichts ein, und so schwieg ich.
Alepris Haus war verschlossen; auch vor den Fenstern waren Läden. Die schmucklose Fassade sah aus wie steingewordenes schlechtes Gewissen. Alepri hatte die Stadt verlassen, und ich wollte nicht glauben, dass es aus Zufall geschehen war. Wenn er einen Landsitz besaß und sich darauf aufhielt, hatte er ihn sicherlich zur Verteidigung eingerichtet. Wahrscheinlicher noch befand er sich schon lange in einer der mit Florenz verfeindeten anderen Republiken. Dass man sein Heim nicht geplündert hatte, schien pures Glück zu sein. Ich beobachtete Kleinschmidt, der sich nach ein paar zaghaften Schlägen gegen das Eingangstor umdrehte und mit den Schultern zuckte.
»Es ist jemand zu Hause«, sagte Tredittore, der mit zusammengekniffenen Augen nach oben spähte. »Jemand hat uns hinter einem der geschlossenen Fensterläden hervor beobachtet.«
Ich trat einen Schritt zurück, aber ich sah nichts.
»Ruft hinauf, dass wir ihnen nichts Böses wollen; nur ein paar Fragen. Sagt ihnen, dass wir nicht von hier sind.«
Was immer Tredittore hinaufrief, hatte keinerlei Wirkung. Ich konnte nicht feststellen, ob er sich mit seiner Beobachtung getäuscht hatte oder nicht; jedenfalls fühlte sich niemand bemüßigt, uns zu antworten. Ich machte mir klar, dass es noch eine dritte Möglichkeit gab, was den schielenden Alepri und seine Familie betraf: Sie hatten sich in ihrem Haus verbarrikadiert und saßen gelähmt vor Furcht darin wie die Mäuse in der Falle, darauf wartend, dass man sich ihrer besann und das verrammelte Eingangstor mit Gewalt aufbrach. Wir standen vor einer belagerten Festung, wenn auch keine Feinde davor zu sehen waren. Die eigentlichen Belagerer waren schon längst hinter die Mauern eingedrungen: Todesfurcht und das Gefühl, einen schrecklichen Fehler gemacht zu haben. Offensichtlich gehörte auch Bieco Alepri zur Fraktion der Pazzi-Anhänger. Ich wagte mir nicht auszumalen, wie es im Inneren des schlichten palazzo aussehen mochte, in dem sich eine Familie samt Gesinde und Dienstboten seit zwei Tagen vor Angst verkroch.
»Gehen wir«, sagte ich rau. »Wir können immer noch zurückkommen.«
»Der letzte ist Umberto Velluti«, erklärte Kleinschmidt. »Dass er unter den Adressaten ist, erscheint mir am merkwürdigsten.«
»Weshalb?«
»Weil er kein Kaufmann ist, sondern Architekt.«
Ich sah Kleinschmidt überrascht an, doch er zuckte nur mit den Schultern.
»Ich weiß kaum etwas über ihn. Er hat keinen großen Namen, aber so viel ich weiß, pflegte er zuverlässig zu arbeiten. Viele der schlichteren Bauten und palazzi in Florenz sind von ihm mit erbaut worden.«
»Würdest du ihn für einen Verschwörer halten?«
»Velluti ist so unpolitisch wie ein Stein«, sagte Kleinschmidt.
Aus einer Gasse weiter vorn brach plötzlich eine Gruppe von Leuten. Unwillkürlich drängten wir uns unter dem flachen Bogen zusammen, in den das Tor zu Alepris Haus eingelassen war. Die Männer riefen laut und schüttelten die Fäuste, und einer brüllte etwas zu uns herüber. Ich biss die Zähne zusammen; doch sie wandten sich nicht uns zu, sondern eilten mit raschen Schritten in Richtung Fluss. In der menschenleeren Gasse wirkte ihr lärmendes Auftreten befremdlich. Kleinschmidt sah ihnen nach; er hatte sich an den Hals gegriffen vor Schreck.
»Wo wollen die denn hin?«, fragte Tredittore, der sich bemühte, nicht zu zeigen, dass er ebenfalls erschrocken war.
»Kann uns egal sein, solange sie nichts von uns wollen«, entschied ich. »Wo wohnt Velluti?«
»Auf der anderen Seite des Flusses, in Oltr’ Arno«, erwiderte Kleinschmidt und wies der Gruppe hinterher. »Wir können hier warten, bis die Gasse wieder leer ist.«
»Du hast doch gesehen, dass sie uns nicht beachtet haben. Oder hast du geglaubt, sie haben uns nicht bemerkt?« Er schüttelte den Kopf, schluckte und setzte sich in Bewegung. Tredittore machte ein verächtliches Gesicht, das er sich gar nicht vor mir zu verbergen bemühte. Ungeachtet dessen ließ er meinem Schwiegersohn den Vortritt.
»Velluti wohnt in der Nähe von Santo Spirito. Über den Ponte Santa Trinità kommen wir am schnellsten hin.« Kleinschmidt wies in eine Gasse, die nach
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