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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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jenseitige Gassengewirr. Ich sah weder, noch hörte ich eine Nachtwache; nicht einmal im Corso dei Tintori, der ebenso ausgestorben lag wie alle anderen Gassen. Die wenigen Lichter, die brannten, waren Kerzen hinter Fensterläden, von denen die farbigen Bänder der Huren herabhingen. Der Corso lag schweigsam; nicht einmal der Verkehr hinter jenen Fensterläden verursachte Geräusche, die bis zu mir herabgedrungen wären. Ich erreichte das Haus, in dem Lapo wohnte, ohne Zwischenfälle, schlüpfte durch den Durchgang und schlich die Treppe bis zu Lapos Türe hinauf. Als ich hustete und sich drinnen nichts bewegte, öffnete ich die Tür vorsichtig und spähte hinein.
    Sie lagen zusammen in dem Bett, das in der Ecke stand, zwei Haufen von Decken und Kleidern, unter denen menschliche Formen vage auszumachen waren. Es war stickig in dem fensterlosen Raum; es roch nach menschlichen Ausdünstungen und etwas Verdorbenem. Ich hielt den Atem an. Eines der Bündel bewegte sich und starrte gesichtslos zu mir herüber.
    »Monna Rucellai?«, fragte ich. »Sono Peter Bernward. Dov’è Lapo?«
    Die andere Gestalt bewegte sich ebenfalls, hustete und kroch schließlich vom Lager, um zur Tür zu schlurfen. Ich wich unwillkürlich ein wenig zurück. Verglichen mit dem Inneren des Raumes war es draußen hell, und ich erkannte Lapos Frau. Ihr Haar hing wirr unter einer Schlafhaube hervor.
    »Chi è ??«, krächzte sie. »Chi è?« Dann schien sie mich zu erkennen, denn ihr verschlafenes Gesicht zog sich in die Breite. »Ah, messere. Benvenuto.«
    »Wo ist Lapo?«, fragte ich.
    Sie stieß einen Schwall Florentinisch aus, grinste erneut und streckte den Arm aus, um ihrer Tochter zu winken. Das Mädchen schlurfte mit der gleichen Begeisterung wie ihre Mutter zuvor zur Tür und starrte mich ausdruckslos an. Sie trug wie ihre Mutter das Kleid, in dem sie auch am Tag herumlief.
    »Bene, bene«, murmelte Mutter Rucellai und machte sich zu meinem Horror am Leibchen der Tochter zu schaffen, um es aufzuschnüren.
    »Nein, zum Teufel«, rief ich und dämpfte gleich darauf erschrocken meine Stimme. »Lass das Mädchen los, alte Hexe. Ich will nur wissen, wo dein verdammter Mann steckt.«
    »Bene, no?«, fragte Monna Rucellai und versuchte, so viel vom Hemd des Mädchens aus dem Leibchen zu zerren, damit ich einen Blick auf ihre Brüste werfen könnte.
    »No!«, zischte ich. »No, no, no! No bene! Dov’è Lapo? Perfavore. Dov’è Lapo?« Ich holte Luft und versuchte es auf Latein. Wenigstens hörte sie auf, an dem Mädchen herumzuzerren, das alles teilnahmslos mit sich geschehen ließ. Verspätet kam ich auf den Trick mit der Münze. Sie schnappte sie sich und steckte sie sich ins Dekollete. Als ihr Blick nachdenklich wurde und sie einen Moment lang mit der Verschnürung ihres eigenen Leibchens spielte und mich dabei abzuschätzen schien, war ich bereit, die Flucht zu ergreifen, aber sie ließ die Hand wieder sinken.
    »Lapo?«, fragte sie und hängte einen kurzen Satz an, dem ich zu entnehmen glaubte, dass er nicht da war. Mit viel Gestikulieren und Deuten bekam ich schließlich heraus, dass Lapo schon seit längerer Zeit weg war. Die Besorgnis darüber, dass auch ich, mit dem er sich hatte treffen wollen, nicht wusste, wo er war, hielt sich bei beiden in Grenzen. Ich steckte ihnen eine weitere Münze zu und verließ sie. Sie schlossen die Tür und begaben sich scheinbar sofort wieder ins Bett. Wie es aussah, war ich der Einzige, der sich um Lapo Rucellai, den Spezialisten, ernsthafte Gedanken machte.
     
    Auf der Straße draußen holte ich den Pergamentfetzen aus dem Wams und versuchte zu entziffern, ob ich mich in unserem Treffpunkt geirrt hatte. Es war nicht der Fall. An den Häusern schnürten Ratten entlang, als würden sich fette schwarze Perlen an einer Kette bewegen. Von irgendwo war wieder das Weinen des Säuglings zu vernehmen, das in seiner Dünnheit mit gleicher Mühelosigkeit durch die Mauern des Gebäudes wie durch die Nacht schnitt. In einem der Häuser, an dessen Fenstern die bunten Bänder hingen, öffnete sich die Tür und warf einen matten Lichtkegel auf das Pflaster; ein Mann schritt heraus, gefolgt von zwei bezahlten Leibwächtern, um ihn durch die Nacht zu bringen. Er bewegte sich wie jemand, der sich bereits zu fragen beginnt, warum er das Haus und das Zimmer und die Hure darin aufgesucht hatte und dessen Erleichterung langsam von seinem schlechten Gewissen verdrängt wird. Er und seine beiden Bewacher warfen mir einen

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