Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Gesicht. Als man sie ihm abnahm, sah ich in sein Gesicht und erkannte mich selbst.
Der Junge blies in die züngelnden Flammen und kroch dann aus der Kammer hinaus. Ich fragte mich, ob diese Tätigkeit, die deutlich dem Tageslauf der kalten Länder jenseits der Alpen entstammte, auch durchgeführt würde, wenn die Augusthitze die Stadt im Griff hatte und selbst die klammen Gemäuer des Fondaco erwärmen würde. Ich hielt es für wahrscheinlich. Die Verantwortlichen der Zunftniederlassung hatten ebenso die Essgewohnheiten der Heimat mit hierhergenommen und ließen in der gemeinsam bewirtschafteten Küche eine Morgensuppe, die Mittagsmahlzeit und das Abendbrot herrichten, obwohl ganz Florenz den Tag über fast nichts zu essen schien, dafür jedoch am Abend zechte.
Tredittore wälzte sich auf seinem Lager herum und räusperte sich. Er sah mich mit trüben Augen an. »Guten Morgen«, sagte er schließlich. Ich nickte. Er gähnte ausgiebig und schwang die Beine aus dem Bett, wo er ein paar Augenblicke sitzen blieb und betäubt den Kopf hängen ließ.
»Ich nehme an, mein Schwiegersohn ist wach, wenn sein Schreiber schon herumläuft und unsere Zimmer aufwärmt«, sagte ich.
Er zuckte mit den Schultern. »Gibt es etwas Neues?«, fragte er desinteressiert. Er hatte Tintenflecke an den Fingern. Ich nahm an, er hatte gestern einen seiner fälligen Berichte an Janas Vettern in Krakau geschrieben. Frohlocket, Ihr Herren, Eure Base ist der Verschwörung angeklagt und wartet im Kerker zu Florenz auf den Henker.
»Es ist ein weiterer Mord geschehen«, sagte ich. »Ihr werdet es erfahren, wenn Ihr meinen Schwiegersohn geholt habt.«
»Lapo Rucellai? Der… der Notar?«, echote Johann Kleinschmidt und sah mich betroffen an. »Der, dem Ihr den Brief zu lesen gegeben habt?«
»Ich nehme an, man hat ihn mittlerweile gefunden und die Kunde zu seiner Witwe gebracht.«
Er schüttelte den Kopf. Tredittore versuchte sichtlich zu begreifen, wer Lapo gewesen war und was er mit der ganzen Geschichte zu tun hatte. Ich legte keinen Wert darauf, ihn aufzuklären. Es reichte, wenn er meine Schlussfolgerungen erfuhr. »Lapo hat mir mitgeteilt, dass die Unterschrift Janas auf den Briefen im Bargello echt sei. Ich habe seinen Worten kein besonderes Gewicht beigemessen; noch nicht einmal, als er mich gestern Abend um eine Unterredung bat. Ich dachte höchstens daran, dass er vielleicht durch Klatsch etwas erfahren habe, was mit Jana zusammenhängt, und mir seine Informationen verkaufen wollte. Nun, jemand anders hat seinen Worten durchaus das nötige Gewicht beigemessen. Eines, das schwer genug war, ihm damit den Schädel einzuschlagen.«
»Aber wie…?«
»Wie man auf ihn aufmerksam wurde? Vielleicht hat er versucht, seine Informationen zuerst bei jemand anderen an den Mann zu bringen.«
»Ich glaube das einfach nicht. Kann es nicht sein, dass er einfach überfallen wurde? Er wohnte doch im Tuchfärberviertel; das ist ein übler Fleck.«
»Lapo war vollkommen mittellos. Ihn auszurauben hätte sich für niemanden gelohnt. Er hat zwar für seine erste Auskunft eine stolze Summe von mir erhalten, aber er wird es nicht herumerzählt haben. Außerdem hätte ein Raubmörder ihn liegen gelassen, wo er war, anstatt zu versuchen, ihn im Fluss verschwinden zu lassen.«
»Wer sollte denn so etwas tun?«
»Das«, sagte ich sarkastisch, »ist sicher die zentrale Frage bei dieser Sache.«
Kleinschmidt senkte den Kopf. Er schien über den Tod des Notars erschüttert zu sein. Tredittore schenkte mir einen leeren Blick. »Was wollt Ihr jetzt tun?«, fragte er.
»Nachdenken«, erwiderte ich.
»Worüber? Wer es getan hat?«
»Das ist der zweite Schritt. Der erste Schritt ist herauszufinden, was er mir erzählen wollte.«
Kleinschmidt hob den Kopf und blickte mich erstaunt an. »Habt Ihr nicht gerade selbst gesagt, dass es nur Klatsch war?«
»Ich sagte, ich nahm es an, bevor ich ihn am Flussufer fand.
Lapos Tod hat seinen Informationen einen ganz anderen Wert verliehen. Niemand wird für Klatsch ermordet.«
»Wisst Ihr, was ich glaube?«, fragte Stepan Tredittore. »Ich glaube, er hat sich mit dem Geld, das Ihr ihm gegeben hattet, einen Rausch angesoffen und wollte Euch nur um eine weitere Summe anpumpen. Wenn der Kerl wirklich zu dem Abschaum aus dem Tuchfärberviertel gehörte, wird er sich in einer der dortigen Spelunken betrunken haben; wahrscheinlich sogar bei einer Nutte. Jemand von seinen Freunden hat ihm aufgelauert, als er zu Eurem
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