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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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raschen Blick zu. Ich stand ein paar Dutzend Schritte von ihnen entfernt mitten auf der Gasse und bewegte mich nicht. Der Mann tat so, als habe er mich nicht gesehen, und marschierte eilig davon, seine Leibwächter im Schlepptau. Jemand machte die Tür wieder zu und löschte den Lichtkegel aus. Ich stand im Dunkeln und fragte mich ohne großes Interesse, warum ein Mann zwei Wächter mietete, durch die dunkle Stadt schlich, immer in Gefahr, von der Nachtpatrouille aufgegriffen und ins Gefängnis geworfen zu werden, in einem verrufenen Viertel gegen bares Geld eine Hure bestieg und danach nicht im Mindesten so aussah, als sei er mit sich und der Welt zufrieden.
    Als die Schritte der drei Männer verklungen waren, setzte ich mich wieder in Bewegung.
     
    Ich erinnerte mich an Jacopo de’ Pazzi; so war es nicht schwer, Lapo zu finden. Wer immer ihn in den Fluss geworfen hatte, musste es ungefähr an jener Stelle getan haben, an der die Stadtbehörden auch den Leichnam des Verschwörers in den Arno gekippt hatten – und gleich ihm war Lapo Rucellai an der Barriere hängen geblieben, die die Wäscherinnen errichtet hatten. Es war finster unten am Fluss, und ich hatte es nicht gewagt, eine der Fackeln mitzunehmen, die in Abständen in den Wänden der größeren palazzi staken; Lapos Leiche aber war ein matter Fleck im trüben Flirren des Wassers und leicht auszumachen für den, der ahnte, wo er suchen musste. Er lag halb mit dem Gesicht im Wasser, eng eingehüllt in seinen braunen Mantel, der jetzt schwarz war vor Nässe und Dunkelheit. Das Wasser hatte die Farbe aus seinem Gesicht gewaschen und das Blut aus der klaffenden Wunde in seinem Hinterkopf. Ich fasste ihn nicht an. Ich hockte nur neben ihm, ohne recht zu merken, dass meine Füße bis zu den Knöcheln im Wasser standen. Ich hätte seine Taschen untersuchen können, ob man ihn ausgeraubt hatte; doch ich wusste, dass sein Tod nicht mit einem Raubüberfall zusammenhing, und so hätte es keinen Unterschied gemacht, ob der Mörder seine Spuren auf diese Weise verwischt hätte oder nicht. Was immer er mir noch hatte mitteilen wollen, war jetzt verschlossen in diesem toten Körper. Ich war davon ausgegangen, dass außer Kleinschmidt und mir niemand darüber Bescheid gewusst hatte, dass Lapo um ein weiteres Treffen gebeten hatte. Scheinbar hatte ich mich geirrt. Ich dachte darüber nach, ob ich zu seiner Frau und seiner Tochter zurückkehren sollte, um ihnen begreiflich zu machen, dass er nicht mehr am Leben war. Da war auch die Möglichkeit, eine der Nachtpatrouillen auf die Leiche hinzuweisen. Doch ich konnte es nicht riskieren, die Behörden auf mich aufmerksam zu machen. Es gab nichts, was ich für ihn tun konnte; nicht einmal, ihm die unwürdige Lage hier und die noch unwürdigere Entdeckung im kommenden Morgengrauen zu ersparen. Ich stolperte auf dem Pfad entlang, bis ich die Treppe in der Uferbefestigung fand, die mich heruntergeführt hatte, und kehrte in den Fondaco dei Tedeschi zurück.
    Ich begegnete keiner Menschenseele auf dem Rückweg. Ich sah noch nicht einmal eine Katze, die eine Maus erlegte. Wie es schien, hatte die Stadt fürs Erste genug Gewalt erlebt.

 
     
    4. BUCH
    Verdächtigungen
     
    28. April 1478
     
     
     
     
     
     
     
    Der Wahrheit, welche trägt des Luges Züge,
    Muss man die Lippen schließen: Das ist Pflicht;
    Sonst werden schuldlos wir geziehn der Lüge.
    DANTE ALIGHIERI,
    Hölle XVI

 
    1.
     
    K
    leinschmidts Schreiber, der nicht viel älter war als ein Junge, begann im Morgengrauen damit, den Kamin in dem Zimmer anzuheizen, in dem Stepan Tredittore und ich lagen. Er weckte mich damit aus einem Halbschlaf, der mehr zermürbend als erholsam gewesen war. Ich erinnerte mich an einen Traum: Ich hatte mit Lapo Rucellai freundschaftlich an einem Flussufer gerungen; selbst im Traum war ich mir dabei merkwürdig vorgekommen. Wir rollten ins Wasser, wo Lapo sich in seine Tochter verwandelte. Ich versuchte, mich von ihr freizumachen und ans Ufer zu gelangen, und fühlte mich dabei schuldig, weil ich nicht wusste, was Lapo von dieser Situation halten würde, wenn er zurückkäme. Sie ließ mich jedoch nicht los. Mit der Träumen eigenen unbeteiligten Distanz erkannte ich, dass ich ertrinken würde, und sah mir dabei zu, wie ich gegen ihre Umklammerung ankämpfte. Dann stand ich plötzlich auf der Brücke und sah zusammen mit einer großen Menschenmenge auf das Flussufer hinunter, wo ein Körper lag. Der Körper trug eine Maske vor dem

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