Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Dom aus, bis dorthin finde ich allein.«
Er beschrieb mir den Weg auf seine übliche umständliche Weise: bei Or San Michele vorbei, wo die Schutzheiligen der Zünfte in den Nischen über den Geschäftsverlauf wachten; dann beim Canto del Saggio nach rechts zur Via Porta Rossa, in die Gasse, in der wir uns heute schon zum Ponte Santa Trinità bewegt hatten; aber nicht ganz hindurch, sondern gleich wieder links zum Ponte Vecchio; aber auch nicht bis dorthin, sondern vorher, beim Borgo Santissimi Apostoli rechts… Ich hörte ihm erschöpft zu und versuchte, mir die Richtungen zu merken und nicht die Informationen über Bauten, Architekten und Florentiner Patrizier, die damit verbunden waren.
»Wollt Ihr wirklich dorthin gehen? Und soll ich Euch nicht begleiten?«
»Ja«, sagte ich kurz. »Und nein.«
Er ließ die Schultern sinken. Sein Widerstand war schwächer als noch heute Nachmittag. Vielleicht begann er, endlich einzusehen, dass ich nur schwer von etwas abzubringen war, was ich mir einmal in den Kopf gesetzt hatte. Er versprach, auf mich zu warten und, sollte ich nicht bis spätestens zum Mitternachtsruf der Nachtwache zurück sein, mit einer bewaffneten Abteilung nach mir zu suchen. Wo er die Leute hernehmen wollte, verriet er nicht, und ich nahm seine Aussage nicht ernster als das meiste, was er bislang von sich gegeben hatte.
Die Westseite der Domkuppel glänzte noch im roten Abendlicht, als ich sie erreichte; der Domplatz lag bereits tief in blauen Schatten. Ein paar Fußgänger huschten eilig und schweigsam über den Platz und wirkten wie dunkel gekleidete Pantomimen vor einem elaboraten Bühnenhintergrund. Ich überholte eine Gruppe von langsamer schreitenden Spaziergängern, zwei Frauen und zwei Männer, und fuhr überrascht herum, als ich meinen Namen hörte.
Die Gruppe war stehen geblieben; eine der Frauen trat zögernd einen Schritt nach vorn. »Guten Abend«, sagte sie in formellem Latein.
»Monna Beatrice Federighi«, sagte ich. »Was tut Ihr so spät noch in den Gassen?«
Sie lächelte. »Das Gleiche könnte ich Euch fragen.«
»Ich muss… Ich bin leider in Eile. Ich treffe mich mit jemandem, der mir Informationen versprochen hat.«
»Entschuldigt, ich wollte Euch nicht aufhalten.«
Fast gegen meinen Willen schüttelte ich den Kopf. Ich warf ihrer Begleitung einen Blick zu. Sie machte eine nachlässige Handbewegung. »Mein Gesinde«, sagte sie. »Sie haben mich zum Gefängnis begleitet.«
»Zum Gefängnis? Das drüben in der Nähe von Santa Croce?«
»Es gibt kein anderes.«
»Habt Ihr… habt Ihr dort Jana Dlugosz gesehen?«
Beatrice wechselte mit ihrer Zofe einen erstaunten Blick, dann sah sie mich mit gerunzelten Augenbrauen an. »Monna Jana? Nein, natürlich nicht. Warum sollte ich?«
Ich zögerte, und als hätte sie meine Gedanken gelesen, trat sie noch einen Schritt auf mich zu und winkte ihrem Gesinde, Abstand zu halten. Wir standen uns jetzt dicht gegenüber. Ihr Gesicht leuchtete in der Dämmerung, und selbst in meinem Zustand musste ich erkennen, dass sie eine Schönheit war, der auch das beginnende Alter nichts anhaben konnte.
»Ist etwas passiert?«, flüsterte sie besorgt.
Ich nahm mir ein Herz. »Man hat Jana wegen angeblicher Teilnahme an der Verschwörung gegen die Medici verhaftet.«
»O mein Gott«, sie bekreuzigte sich für den Fluch, »ist das wahr? Hat sie es denn getan?«
Ich machte den Mund auf und wieder zu. »Selbstverständlich nicht«, knurrte ich dann. Sie hatte mein Zögern bemerkt und machte ein mitleidiges Gesicht.
»Und Ihr…?«, fragte sie.
»Mich suchen sie auch«, erklärte ich verbissen. »Vielleicht wäre es besser, Ihr würdet nicht zu lange mit mir plaudern.«
Wenn ich erwartet hatte, dass sie sogleich eine Ausrede suchen würde, um sich von mir zu verabschieden, hatte ich mich getäuscht. Stattdessen erkundigte sie sich nüchtern: »Was ist an diesen Anschuldigungen wirklich dran?«
»Nichts. Allerdings gibt es… Indizien!« Ich schwieg, und sie betrachtete mich eine Weile, ohne etwas zu erwidern. »Ich verstehe nicht, wie sie das tun konnte«, rief ich aufgebracht.
»Und Ihr glaubt nicht daran, dass sie es getan hat.«
»Natürlich nicht. Und dann zweifle ich doch… Ich möchte am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand laufen.«
»Ihr müsst Euer eigenes Urteil fällen, nicht das der anderen übernehmen.«
Ich blickte sie überrascht an. Sie lächelte fein und deutete auf mein Herz. »Und wenn Ihr sie liebt, müsst Ihr das Urteil
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