Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Euch, wenn gestern irgendetwas schief gegangen wäre, ich hätte Euren Hintern schneller an die Behörden verfüttert, als ein Stein von der Brücke ins Wasser fällt.«
»Seid Ihr gekommen, nur um mir das zu sagen?«
»Das – und um nachzusehen, ob Ihr noch immer vorhabt, unsere Gastfreundschaft zu missbrauchen.«
»Herr Bernward ist mein Gast, und…«, begann Kleinschmidt.
»Unsinn. Ihr seid unser Gast, und all Eure Gäste sind nur hier, weil wir ihnen die Gastfreundschaft anbieten.«
»Was soll ich Eurer Meinung nach tun?«, fragte ich ärgerlich. »Im Palast von Lorenzo de’ Medici nachfragen, ob das Zimmer seines Bruders frei geworden ist?«
Boehl starrte mich überrascht an. Seine Mundwinkel zuckten plötzlich.
»Sagt das bloß nicht noch mal«, warnte er mich und unterdrückte ein spöttisches Grinsen. »Und vor allem nicht auf Florentinisch, sonst könnt Ihr gleich dem Pfaffen und seinen Freunden am Palazzo della Signoria Gesellschaft leisten. Oder Ihr schwimmt Jacopo de’ Pazzi hinterher, und zwar…«
»… schneller, als ein Stein von der Brücke ins Wasser fällt«, vollendete ich. »Ihr wiederholt Euch.«
Seine Gesichtszüge froren wieder ein. »Ihr könnt die Räumlichkeiten der zwei Fugger-Gesandten übernehmen«, sagte er kalt. »Sie stehen seit gestern leer. Die Kerle sind abgereist, ohne den Zunftpfennig zu bezahlen – oder für die Unmengen, die sie gefressen und gesoffen haben, solange sie hier waren. Die haben schon den Untergang des Hauses Medici vorgefeiert, die Narren. Als es nichts wurde mit der Revolution und der Pazzi-Herrschaft, sind sie Hals über Kopf davongelaufen. Tja, da hast du wohl aufs falsche Pferd gesetzt, lieber Jakob Fugger. Also, nehmt die Räume und übernehmt den Zunftpfennig der Kerle, und Ihr könnt hier bleiben. Und ich will Euch sogar als ein Zunftmitglied auf Zeit betrachten.«
»Äußerst großzügig. Ich denke, ich habe keine große Wahl.«
»Das ist eine…«, begann Johann Kleinschmidt.
»… eine sehr freundliche Geste von mir«, blaffte Boehl.
»Ist schon gut«, versetzte ich. »Ich hoffe, mit meinem Beitrag decke ich wenigstens einen Teil der Schulden ab, die andere hinterlassen haben.«
»Nur einen ganz geringen Teil«, grinste Boehl. »Aber: Jedes bisschen hilft, sagte der Vater und pinkelte in den Arno, weil das Boot seines Sohnes in Pisa auf Grund gelaufen war.«
Wir sahen ihm hinterher, als er die Treppe wieder mit seinen Begleitern hinabschritt, bedeutend würdevoller, als er sie heraufgeeilt war. Ich nickte, als er mir zurief, ich sollte spätestens heute Abend meine Schulden begleichen. Wenigstens war ihm zuletzt noch eine andere Redensart eingefallen.
Vellutis palazzo stand noch, das Eingangstor war jedoch verschlossen. Es musste nicht unbedingt etwas mit unserem gestrigen Besuch zu tun haben. Ich starrte meinen Schwiegersohn an, aber sein sorgenvolles Gesicht übermittelte mir keine Entscheidung. Das Tor war massiv genug gebaut, um ein Dagegenklopfen mit der Faust ohne Laut zu schlucken. Wie es schien, wünschte Ser Umberto Velluti zur Zeit keine Gesellschaft.
»Ausgeflogen«, bemerkte Kleinschmidt unglücklich.
»Dann bleiben wir hier stehen, bis er wieder einfliegt.«
Er ließ den Kopf hängen. Ich hob die Faust und klopfte dennoch gegen das schwere Tor. Es blieb bei einem schwachen Geräusch.
Das Tor hatte kein Mannloch, durch das man hätte schlüpfen können, wenn die Hausbewohner die Türflügel nicht öffnen wollten; aber es besaß ein kleines Guckloch in der Höhe, in der die zierlicher als ich gebauten Florentiner die Augen gehabt hätten. Es sah aus wie das Guckloch einer Klosterpforte; ein viereckiges Loch, das mit einem kleinen Türchen von innen geöffnet werden konnte. Ich fixierte es und überlegte, meine Faust ein zweites Mal an der Tür zu erproben, als das Türchen zu meinem Erstaunen aufging.
»Sit«, fragte eine Stimme, die nicht zu Umberto Velluti gehörte. Ich stellte mir einen seiner Leibwächter vor. Sicherlich hatte er es als noch zu früh erachtet, sie nach Hause zu schicken.
»Wir möchten mit Ser Velluti sprechen«, erklärte ich und wartete auf Kleinschmidts Übersetzung. Das Augenpaar hinter dem Guckloch musterte mich und sagte schließlich deutlich: »No!«
»Velluti hat unsere Beschreibung ganz offensichtlich an seine Dienerschaft weitergegeben«, bemerkte ich. Als das Türchen Anstalten machte, wieder zuzugehen, sagte ich hastig zu Kleinschmidt: »Bitte ihn ganz höflich. Sag, dass seinem
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