Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Strohhalm. Ich bitte Euch!«
»Das ist überhaupt kein Strohhalm.«
»Das ist doch so weit hergeholt… Ich bitte um Verzeihung…«
»Das ist wirklich weit hergeholt«, erklärte Tredittore.
Ich fuhr zu ihm herum. »Ihr selbst habt meine Gedanken gerade bestätigt!«, schnauzte ich.
»Das war doch nur Zufall. Daraus lässt sich doch nicht…«
»Herr Bernward. Bitte. Das ist wirklich ein… ein… Hirngespinst. Und selbst wenn es so wäre, wie wollt Ihr es nachprüfen? Lapo ist tot.«
»Lapo ist tot, gerade weil es so war, wie ich es geschildert habe.«
»Damit könnt Ihr niemals vor Gericht erscheinen oder die Freilassung von Monna Jana verlangen«, sagte Tredittore nüchtern. »Kein Mensch nimmt Euch das ab.«
»Was soll ich denn sonst tun?«, brauste ich auf. »Das ist die einzige Hoffnung, die ich habe. Die andere Schlussfolgerung ist doch…«, ich brach ab. Ich hatte viel zu viel gesagt.
»Die andere Schlussfolgerung ist die, dass Monna Jana schuldig ist«, erklärte Stepan Tredittore kühl. »Und Ihr seid Euch gar nicht so sicher, ob das nicht ganz einfach der Fall ist. Ihr sucht nach einem Beweis für ihre Unschuld, jedoch nicht, um ihn den Florentiner Behörden vorzulegen, sondern für Euch selbst, damit Ihr nicht den Glauben an sie verliert.«
»Herr Tredittore…«, stotterte Kleinschmidt.
»Sie hat uns alle hereingelegt«, fuhr Tredittore fort. »Meine Herren in Krakau, weil sich ihre Niedertracht herumsprechen und schlecht auf das Geschäft auswirken wird; mich, weil ich beinahe mit ihr zusammen gefangen worden wäre; und Euch, weil sie Euch nicht das Geringste anvertraut hat. Sogar Euren Schwiegersohn, weil er hier in Florenz erledigt ist, wenn man ihn – über Euch – auch mit ihr in Verbindung bringt.«
»Ihr habt jetzt genug gesagt«, befand ich erstickt.
»Aber Ihr habt nicht genug nachgedacht.« Er stand auf und stolzierte auf die Tür zu. »Ich bin nicht Euer Feind, das wisst Ihr genau. Wenn die Situation anders wäre und Monna Jana nicht…« Er ließ den Rest im Raum hängen und ging hinaus.
Kleinschmidt wich meinem Blick aus. Ich sah die geschlossene Tür an und hasste Stepan Tredittore aus ganzem Herzen; aber nicht, weil er etwas Falsches gesagt hatte, sondern weil seine Worte mich auf die Wahrheit stießen. Was immer ich unternahm, ich tat es nur, damit ich nicht darüber nachzudenken brauchte, ob ich nicht längst ebenfalls von Janas Schuld überzeugt war.
»Was wollt Ihr jetzt tun?«, fragte Kleinschmidt nach einer langen Pause.
»Wir gehen zu Velluti. Er ist der Einzige, mit dem wir reden können. Die anderen sind verhaftet oder tot.«
»Und dann?«
»Dann holen wir aus ihm heraus, wie er wirklich zu Jana stand und was sie von ihm wollte.«
»Wir verschwenden nur unsere Zeit«, murmelte Kleinschmidt düster. Ich sah auf seinen gesenkten Kopf hinunter.
»Wir tun seit gestern Morgen nichts anderes«, murmelte ich ebenso leise.
Auf dem Weg in den Hof des Fondaco stießen Kleinschmidt und ich mit Ferdinand Boehl zusammen, der mit drei Begleitern die Treppe hochstürmte. Er war außer Atem. Wir wichen ihm aus, aber er blieb stehen.
»Euch suche ich«, erklärte er keuchend.
»Was kann ich für Euch tun?«
»Ihr könnt mir erklären, warum Ihr beinahe die Freilassung eines unserer Leute verhindert hättet.« Er funkelte mich wütend an. Seine Begleiter machten ernste Gesichter. Einer von ihnen war mit im Gefängnis gewesen.
»Das lag nicht in meiner Absicht.«
»Was habt Ihr im Gefängnis überhaupt zu suchen gehabt? Warum habt Ihr Euch mit hineingeschmuggelt? Ihr habt die Gesandtschaft und den Gefangenen in höchste Gefahr gebracht. Ihr habt doch sowieso niemanden dort gekannt – das habt Ihr selbst bei der Gegenüberstellung gesagt!«
»Ich hoffte, jemanden zu erkennen.«
Er prustete spöttisch. »Das ist der erste Mann, der hofft, jemand von seinen Bekannten im Gefängnis wiederzufinden. Warum habt Ihr das nicht gestern Morgen gesagt? Meine Männer hätten sich für Euch umhören können.«
»Hättet Ihr jemandem geholfen, der wie ich nicht der Zunft angehört oder den Zunftpfennig bezahlt?«
»Natürlich nicht. Wenn ich meine Leute für so jemanden in Gefahr bringe, beruft man mich schneller nach Hause, als ein Stein von der Brücke ins Wasser fällt. Und dort wird mir kein freudiger Empfang bereitet.«
»Seht Ihr?«
Er warf wütend die Hände in die Höhe.
»Ihr freien Sonderlinge!«, rief er. »Ihr macht einem nichts als Schwierigkeiten. Ich garantiere
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