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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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übersehen zu werden…«
    »Und währenddessen so tut, als sei nichts? Nein, dazu hat er nicht die Nerven. Dann hätte er uns auch nicht auf die Straße setzen und sein Tor jetzt verbarrikadieren dürfen. Wir werden sein Haus beobachten. Ich bin sicher, er wird etwas unternehmen, sobald wir weg sind.«
    »Was denn?«
    »Was weiß ich? Wir werden es ja sehen.«
    Kleinschmidt sah mich an und schüttelte kaum merklich den Kopf, bevor er den Blick senkte. Es war klar, dass er mich für einen armen Irren hielt. Tatsächlich hatte ich nicht mehr als ein Gefühl, aber es war besser als nichts, und so hielt ich mich daran. Velluti war zu schwach, um allein oder aus eigenem Antrieb irgendetwas Außergewöhnlicheres zu tun als einer Fliege die Beine auszureißen. Ich war so überzeugt, wie ich es Kleinschmidt gegenüber behauptet hatte, dass er nicht zum Kreis der Verschwörer gehörte – als tatkräftiges Mitglied kam er nicht in Frage, und um Jacopo de’ Pazzi zu finanzieren, fehlten ihm die Mittel. Es war etwas anderes mit ihm, das nicht stimmte, etwas, das zwar mit Jana zu tun hatte, vielleicht jedoch nicht mit dem Aufstand. Was es war, konnte ich nur raten; und wenn ich raten durfte, hätte ich gesagt, dass es mit der Fälschung von Janas Briefen zu tun hatte. Ich wusste viel zu wenig über Janas heimliche Geschäftsanbahnungen hier in Florenz, um beurteilen zu können, ob sie ihn nicht auf die eine oder andere Weise ebenso düpiert hatte wie Antonio Pratini. Velluti war ein altes Wrack, und die Idee, ihr mittels zweier gefälschter Briefe eine direkte Verbindung zum Aufstand unterzuschieben, mochte einem Hirn wie dem seinen durchaus entsprungen sein. Das bedeutete nicht, dass er die Briefe selbst gefälscht hatte; dafür gab es wahrscheinlich genügend Profis. Einen davon hatte ich gestern Nacht im Fluss gefunden.
    »Da kommt Velluti«, sagte Kleinschmidt mit einer Mischung aus Erstaunen und Verdruss.
    Der alte Architekt schritt an der Gasse vorbei. Ich wandte rasch das Gesicht ab, aber die Vorsichtsmaßnahme war unnötig; er sah nicht links noch rechts. Ich huschte zur Ecke und spähte vorsichtig herum. Velluti war eine hagere Gestalt mit wehendem Haarkranz, die hastig zum Fluss hinunterstakte. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, eine Kopfbedeckung aufzusetzen. Ich war erstaunt, die Gasse plötzlich belebt zu sehen: Bestimmt ein weiteres halbes Dutzend Menschen strebte mit Velluti in die gleiche Richtung. Der alte Architekt war jedoch der Einzige, der allein unterwegs war. Es war leicht, ihn zwischen den anderen auszumachen. Ich beschloss, ihm noch etwas Vorsprung zu lassen.
    Kleinschmidt näherte sich und spähte ebenfalls um die Hausecke herum. »Ihr wollt ihn doch nicht etwa verfolgen?«
    »Was hast du denn gedacht?«
    »Das ist eine… eine Kinderei. Einem alten Mann hinterherzulaufen.«
    »Wenn es mir helfen würde, Jana freizubekommen, würde ich selbst einem quiekenden Schwein hinterherlaufen.«
    Er schnaubte und schien etwas sagen zu wollen, was er sich jedoch verkniff. Ich schaute die Gasse hinauf und hinab und wartete darauf, dass Velluti sich weit genug von uns entfernte. Ein Mann mit einem prallvollen Sack über der Schulter kroch vom Fluss her die Gasse herauf. Er fiel mir nur auf, weil er sich gegen die Richtung all der anderen Leute bewegte. Bei Vellutis Hauseingang drehte er sich um und rannte mit dem gesenkten Kopf in das geschlossene Tor hinein. Er trat überrascht einen Schritt zurück, setzte den Sack ab und betrachtete das Tor fassungslos. Erst nach einigen Sekunden kam er auf den Gedanken, mit der Faust dagegen zu hämmern.
    »Gehen wir«, sagte ich zu Kleinschmidt. »Sonst verlieren wir ihn noch aus den Augen.«
    Velluti bog noch vor dem Flussufer nach rechts ab und tauchte in eine enge Gasse ein, die etwa parallel zum Fluss verlief. Zwischen den palazzi befanden sich hier einige große Lücken, auf denen verschieden hohe Schuttkegel von Unkraut und Gras überwuchert wurden. Die meisten Häuser schienen schmalbrüstiger als in den anderen Teilen der Stadt, dafür aber höher; die überkragenden Stockwerke waren deutlicher ausgeprägt. Über die eine oder andere Fassade ragte ein Turmstumpf hinaus; auf der dem Flussufer gegenüberliegenden Straßenseite stand ein hoher, schlanker Turm fast unbeschädigt, nur sein Dach war eingestürzt, und die Fenster waren nur mehr ausgebrochene Löcher im Mauerwerk. Die Hausfassaden waren geschmückt, aber der Schmuck war von der Zeit angefressen:

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