Duell auf offener Straße
Chancen, im nächsten Kampf wieder zu gewinnen, steigen mit dem Testosteronspiegel.
Beide Hunde gehen als Gewinner aus dieser Situation. Die Menschen sehen sich hingegen eher als Verlierer.
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Herzlichen Glückwunsch, Sie haben also einen richtigen Gewinnertyp an der Leine. Aber warum sind Sie nicht glücklich darüber? Viele Hundehalter empfinden den Hundespaziergang als täglichen Kampf. Sie versuchen, aggressive Tendenzen des Hundes zu unterbinden. Wenn dies nicht gelingt, hat das für Mensch und Hund völlig unterschiedliche Auswirkungen. Der Hund fühlt sich als Sieger in der Auseinandersetzung mit dem anderen Hund, der Mensch fühlt sich als Verlierer in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Hund. Je häufiger man unterliegt, desto schwieriger wird ein Siegen.
Bei den Hundehaltern steigt durch den Misserfolg einerseits die Erwartungshaltung, dass der Hund sich wieder aggressiv bei einer Hundebegegnung zeigen wird. Eine Art selbsterfüllende Prophezeiung, die die Wahrnehmung und Körpersprache auf das Problem lenkt und dadurch das aggressive Verhalten begünstigt. Andererseits hat dieses Verlieren auch eine hormonelle Auswirkung. Der Stress, angezeigt durch den Cortisolspiegel, steigt, der Testosteronspiegel sinkt. Ein abermaliges „Verlieren“ ist vorprogrammiert.
Der Wunsch des Menschen, daraufhin Hundebegegnungen zu vermeiden, ist durch die Koppelung an negative Gefühle verständlich. Leider wirkt man bei Fluchtversuchen aus Sicht eines Hundes nicht unbedingt sozial kompetent. Hunde haben eine feine Wahrnehmung für körpersprachliche und auch chemische Kommunikation beim Menschen. Sie werden von der Veränderung Notiz nehmen und darüber die Gesamtsituation höher bewerten. Zudem ist das aggressive Verhalten hormonell gesehen selbstbelohnend.
Macht Erfolg wirklich reich und sexy?
Wie einflussreich das Sexualhormon Testosteron ist, haben Joe Herbert und John Coates in ihrer Studie über Börsenmakler herausgefunden. Eine hohe Konzentration von Testosteron im Blut macht Börsenhändler erfolgreicher. Börsenhändler, die in der Früh einen sehr hohen Testosteronspiegel haben, werden wahrscheinlich einen erfolgreichen Arbeitstag erleben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein hohes Testosteronlevel zuversichtlich macht und die Risikobereitschaft steigert. Das wirkt sich unter Umständen positiv auf die Tagesbilanz der Händler aus.
Allerdings hat das ewige Gewinnen auch seine Gefahren. So haben die beiden Wissenschaftler festgestellt, dass das Siegergefühl bei den erfolgreichen Börsenmaklern wiederum weiteres Testosteron freisetzt, was letztlich auch zu Selbstüberschätzung führen kann – mit riskanten Konsequenzen. „Wenn der Testosteronstand exzessiv wird, wie dies etwa bei Spekulationsblasen der Fall ist, kann die Lust auf Risiko obsessiv werden.“ Weshalb ich gerade jetzt an so manchen Terrierrüden denken muss, weiß ich nicht.
Danke, ich bin satt!
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Was als Belohnung empfunden wird, bestimmt der Hund. Doch nicht allein seine Vorlieben sind dafür relevant. Es hat auch etwas mit dem Lebensstandard zu tun. Je mehr jemand hat, desto weniger freut er sich über etwas. Es klingt fürchterlich, aber je größer der Mangel ist, desto höher ist auch die Motivation. Was würden Sie für 1.000 Euro tun? Wahrscheinlich mehr als ein Multimillionär. Mit den Hunden ist es ähnlich. Aufgrund dessen, dass unsere Hunde in vielen Bereichen so satt sind, müssen wir in die Superlative gehen. Wenn wir den ganzen Tag mit liebevoller Stimme auf sie einreden, sie stundenlang streicheln und massieren, sie mit den besten Dingen füttern und sie immer Zugriff auf Spielzeug haben, bleibt nur noch wenig übrig. Wenn Sie also vor Ihrem Hund auf die Knie fallen, dabei mit hoher Stimme quietschen und ihm Fleischwurst geben müssen, damit er eine kleine Gefühlsregung zeigt, die nur noch im Ansatz an Freude erinnert, und er mittlerweile genervt den Kopf wegzieht, wenn Sie ihn streicheln wollen, dann könnten Sie sich an dieser Stelle Gedanken machen. Vielleicht haben Sie aber auch einen Labrador, und der freut sich jeden Tag aufs Neue.
Friss oder stirb!
Die Macht der positiven Verstärkung erhöht sich mit der Zunahme des Mangels an etwas. Wenn der Hund also wirklich hungrig wäre, so wäre er bereiter, das erwünschte Verhalten zu zeigen. Richtig. Ähnlich funktioniert das soziale Aushungern. Doch manchen Hunden ist die Aggression an der Leine aus den schon genannten
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