Duell der Leidenschaft
gingen so aufeinander los und verteidigten sich, als gäbe es kein Publikum - und als bräuchten sie auch keines.
Nach einem besonders harten und schnellen Schlagabtausch stieß Kerr ein atemloses Lachen aus. »Sie besitzen selbst einiges Geschick, Tremont. Sind Sie sich ganz sicher, dass Sie kein maitre d’armes sind?«
»Mein Vater trug diesen Titel, aber ich nicht. Er trainierte mich für andere Zwecke.«
»Richten Sie ihm meinen Glückwunsch aus, er ist ein guter Lehrer.«
»Das würde ich gern tun, aber er ist tot.«
»Nicht durch das Schwert gestorben, oder?«
Jean Pierre, der neben Sonia stand, schnaubte ungeduldig. »Setzen Sie diesem Kampf ein Ende«, rief er. »Mein Gott noch mal, sorgen Sie für ein Ende.«
Sonia fühlte fast genauso wie er. Der Schnarren der übereinandergleitenden Klingen zerrte an ihren Nerven, und wenn sie Luft zerschnitten, ließ das Geräusch sie zusammenzucken. Bei jedem Satz, mit dem einem Stoß ausgewichen wurde, um den Tod zu vermeiden, stockte ihr das Herz, als stehe ihr eigenes Leben auf dem Spiel.
Hinzu kam, dass sie das Gefühl hatte, Kerr ermüde allmählich. Mit jedem Augenblick wurde die Falte zwischen seinen zusammengezogenen Augenbrauen tiefer, Schweißtropfen rannen ihm über die Wangen. Ein roter Streifen lief an seinem Hals nach unten und sorgte für einen größer werdenden Fleck auf seinem Hemd. Es war nicht zu erkennen, ob die Kopfwunde aufgeplatzt war. Fast instinktiv schob sie eine Hand in ihre Tasche und schloss die Finger um sein Taschenmesser wie um einen Talisman, der ihr
Trost spenden und Vertrauen auf ein Wunder schenken sollte.
Tremonts Blick ruhte für den Bruchteil einer Sekunde auf Kerrs blutigem Hemd, dann verstärkte er seine Bemühungen und attackierte noch aggressiver. Kerr parierte jeden Angriff, doch seine Bewegungen waren nicht mehr so sauber, seinen Riposten mangelte es an Präzision.
Plötzlich rutschte Kerr auf den Fliesen aus - zumindest hatte es den Anschein. Sonia schrie entsetzt auf, Tante Lily stöhnte und hielt sich die Hände vor den Mund, während Jean Pierre triumphierend jubelte, da er das Duell für so gut wie beendet hielt.
Auch Tremont musste dieser Meinung sein, da er einen Satz nach vorn machte.
Doch im gleichen Augenblick traf ihn die Klinge so plötzlich wie der Stich eines Skorpions. In Höhe der Taille fand sich ein Schnitt in seinem Hemd, der Stoff färbte sich schnell rot. Kerr wich zurück, ohne ein Anzeichen von Schwäche erkennen zu lassen. Abwartend ließ er die Klinge sinken.
» Touche «, sagte Tremont und presste eine Hand auf seine Seite. Er lachte abgehackt, während er seine blutverschmierten Finger betrachtete. »Sie haben mich reingelegt.«
Kerr neigte den Kopf, sein Gesicht zeigte keine Regung. »Aber genügt das?«
»Niemals!«, brüllte Jean Pierre. »Fangen Sie wieder an.«
»Sollen wir?«, fragte Tremont.
»Sie entscheiden.« Kerr ließ die Spitze seines Rapiers auf den Boden sinken.
Tremont sah auf die Waffe in seiner Hand und drehte sie hin und her, sodass sich das Licht in der Klinge spiegelte. »Ich glaube, meine Neugier ist gestillt. Und ich kann mir bessere Verwendungszwecke für eine solche Waffe vorstellen.«
»Neugier?« Kerr schien lässig dazustehen, doch wäre nie-mand auf den Gedanken gekommen, er könnte unaufmerksam sein.
Sie redeten so leise, dass Sonia sich anstrengen musste, um sie überhaupt zu hören. Die Wachen sahen sich gegenseitig verwundert an, während sie sich weiter auf ihre Gewehre stützten, die sie im Verlauf des Duells abgesetzt hatten. Jean Pierre verzog das Gesicht und beugte sich weit vor, als bekomme er überhaupt nichts von ihrer Unterhaltung mit.
»Die Neugier, meine beharrliche Sünde«, hörte Sonia Tremont sagen. »Es ist an der Zeit, sie zurückzustellen und mich wieder dem Geschäft zu widmen, das mich hergeführt hat.«
»Schmuggel? Spezialisiert auf Waffen und Munition?«
»Das könnte man so sagen. Genau genommen war es der Verräter, der sie zwischen Mexiko und unserer Nation transportierte, den manchmal großartigen und oftmals unwissenden Vereinigten Staaten von Amerika.« Er hob eine Schulter und lächelte ironisch. »Mein Arbeitgeber, wenn man so will.«
Es steckte mehr hinter diesen Worten, doch das bekam Sonia nicht mit. Hoffnung keimte in ihr auf und verdrängte jede andere Empfindung.
Im nächsten Augenblick drehten sich die beiden Duellanten um und gingen Schulter an Schulter auf Jean Pierre zu. Ihre Klingen hielten sie
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