Duell der Leidenschaft
Angesicht ihrer Kapitulation klangen ihre Worte steif und würdelos.
»Ich muss ihm nur die Absichtserklärung Ihres Vaters zeigen, in dem ich zu Ihrem Begleiter auf dieser Reise bestimmt werde. Wenn es ein Problem gibt, kann er sich ruhig an ihn wenden.«
»Aber ich trage Männerkleidung. Das wird seltsam aussehen.«
»Das hätten Sie sich überlegen sollen, bevor Sie Ihre Unterröcke ablegten.«
Sie schaute zur Seite. »Lieber lasse ich mich für einen Jungen halten als für ein ... ein leichtes Mädchen.«
»Da muss ich Ihnen zustimmen«, sagte er und nickte finster.
»Nicht, dass ich mich meinetwegen sorge, aber Ihr guter Name könnte darunter leiden, wenn man mich an Ihrer Seite in einer Hose sieht.«
Er nahm eine Strähne ihres Haars zwischen die Finger, die sich über ihre Schulter gelegt hatte. »Niemand könnte Sie für einen Knaben halten, solange das alles um Ihren Kopf weht. Und es wäre nur dienlich für meinen Ruf, würden Sie in voller weiblicher Pracht erscheinen.«
Es wäre als Kompliment aufzufassen gewesen, wenn sie das gewollt hätte. Doch das wollte sie nicht. Sie befreite ihre Haarsträhne aus seiner Hand und warf sie sich über die Schulter. »Das dürfte schwierig sein, wenn ich kein Gepäck bei mir habe.«
»Wollen Sie mir tatsächlich erzählen, dass Sie Ihre chere Tante Lily nicht darauf geschult haben, sofort mit Ihrer ganzen Garderobe angelaufen zu kommen, sobald Sie danach verlangen? Ich werde veranlassen, dass sie von Ihrem Meinungswandel erfährt.«
»Sie sind zu gütig«, brachte sie angestrengt heraus, da sie gleichzeitig versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten.
»Dafür werde ich bezahlt.«
Seine Worte kamen ihm abrupt missverständlich über die Lippen. Es sollte heißen, ihr Vater hatte ihn damit beauftragt, dafür zu sorgen, dass sie an Bord der Linie Rock ging, aber auch auf ihre Sicherheit und einen vertretbaren Komfort zu achten — und sicherzustellen, dass sie so wie jede lebende Fracht in der gleichen Verfassung an Land ging, in der sie ursprünglich das Schiff betreten hatte. Kerr Wallace würde seinen Pflichten nachkommen. Mehr konnte sie von ihm nicht erwarten, und erst recht nicht weniger.
Er ließ einen ihrer Arme los, hielt aber den anderen Ellbogen weiterhin fest, als traue er ihr immer noch zu, sie könne bei der erstbesten Gelegenheit die Flucht ergreifen. Möglicherweise hatte er damit recht, überlegte sie. In ihrer gegenwärtigen Laune wusste sie selbst nicht so genau, wozu sie fähig war. Ihre Abneigung gegen diesen Mann war so groß, dass sie sich wünschte, sie hätte irgendeine Waffe zur Hand, um ihn außer Gefecht zu setzen.
Gemeinsam mit ihr drehte sich Kerr Wallace in Richtung der Lime Rock um. Nach wenigen Schritten stolperte sie und stieß einen erschreckten Aufschrei aus, da sie drohte hinzufallen. Wallace zog sie hoch, bevor ihr etwas passieren konnte, dann ging er langsamer weiter. Dennoch hatte sie Schwierigkeiten, in diesen Stiefeln von der Stelle zu kommen. Gefunden hatte sie die in einem Schrank in der Garconniere, wo einer ihrer Cousins sie bei einem Besuch zurückgelassen hatte. Von da stammte auch der Gehrock, der so wie das Schuhwerk einige Nummern zu groß war, während die vom Sohn der Köchin ausgeliehene Hose gerade so passte. Insgesamt sah sie einfach schrecklich aus, doch dass sie sich überhaupt Gedanken darüber machen konnte, ärgerte sie fast noch mehr als alles andere.
An der Anlegestelle angekommen, grüßte Wallace den Wachposten und bat um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen. Eine schier unendliche Wartezeit schloss sich an, bis endlich der Captain an Deck kam und die Erlaubnis erteilte. Das Seil an der Laufplanke hing locker, und sie überwanden die rutschigen Planken mit den festgenagelten Sprossen. Sonia ging voran und musste immerzu daran denken, welchen ungehinderten Blick man auf ihre Beine hatte. Umso erleichterter war sie, als sie auf dem Schiff waren und ein Schiffsmaat angewiesen wurde, sie unter Deck zu bringen.
An der Kabine, die vermutlich für ihre Tante und sie selbst reserviert war, blieben sie stehen. Der Maat nickte und zog sich zurück. Als Sonia nach dem Riegel griff und die Tür aufstieß, stellte sich ihr Kerr in den Weg.
Sie warf ihm einen wütenden Blick zu, doch er zog lediglich den Kopf ein und betrat den kleinen Raum. In der Mitte blieb er stehen, stemmte die Hände in die Hüften und musterte die düsteren Ecken, den Perserteppich, der für den einzigen Farbtupfer sorgte, die
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