Duell der Leidenschaft
uns, die nicht zivilisiert sind, hätte das wohl nichts genützt. Ich würde übrigens nicht zu viel auf das geben, was er Ihnen gesagt hat.«
»Warum sollte ich das nicht machen?« Die Tatsache, dass er fast wörtlich ihre eigenen Gedanken aussprach, ließ sie mit schneidenderer Stimme als beabsichtigt antworten.
»Wenn ich Ihnen sage, dass er alles andere als vertrauenswürdig ist, werden Sie dann erst recht entschlossen sein, ihn zu einer Ihrer Eroberungen zu machen?«
»Ich hoffe, ich bin nicht so unvernünftig.«
»Das hoffe ich auch, denn das ist genau das, was ich sagen will.«
»Ich nehme an, Sie haben einen guten Grund.«
»Sogar einen hervorragenden.«
Sie wartete, doch er sprach nicht weiter. »Den Sie aber lieber nicht mit mir teilen wollen?«
»Ich möchte meinen Ratschlag bis auf Weiteres für mich behalten.«
»Eine gute Ausrede.« Sie betrachtete sein Gesicht und wunderte sich über den finsteren Ausdruck. »Es dürfte Sie überraschen, dass er von Ihnen die gleiche Meinung hat.«
»Sagte er, man könne mir nicht trauen?«
»Ganz genau.«
»Da er es zuerst ausgesprochen hat und wir beide streiten, glauben Sie also ihm.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Das müssen Sie nicht, ich sehe es Ihnen auch so an.«
»Was sind Sie doch für ein unmöglicher Mann.«
Sie drehte den Kopf weg und sah hinaus auf die Wellen, die das Dampfschiff unablässig bestürmten, die sich gegen den Bug warfen und sich ihren Weg durch die Schaufelräder hindurch bahnten. Sonia fand, er hätte wenigstens versuchen können, ihr seine Ansicht darzulegen. Der innere Widerspruch, einerseits davon überzeugt werden zu wollen, dass sie sich irrte, und sie es andererseits vorzog, lieber das Schlimmste anzunehmen, ließ ihr Temperament nur noch mehr in Wallung geraten.
Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht, und sie konnte fast diesen hitzigen Blick fühlen. Zu gern hätte sie gewusst, was er in diesem Moment dachte. Kümmerte es ihn wenigstens ein bisschen, in welchem Licht sie ihn sah? Würde er sich
noch einmal der Situation bewusst, als er sie fest in seinen Armen gehalten hatte?
Vermutlich würde sie das nie erfahren.
Sie unterdrückte einen Seufzer und setzte ihren Weg über das Deck fort. Als zuverlässiger Begleiter ging Kerr Wallace neben ihr her. Erst als der Duft des Mittagessens aus der Kombüse bis zu ihnen drang, begaben sie sich unter Deck.
Da ihre Tante nach wie vor indisponiert war, hatte Sonia keine weibliche Begleitung und so steuerte sie den Tisch an, an dem Madame Pradat und ihr Sohn saßen. Als sie näher kam, erhob sich Gervaise ein Stück weit von der Sitzbank, auf seinem Gesicht zeichnete sich der Ausdruck eines schüchternen Willkommens ab. Sonia verspürte den dringenden Wunsch, auf die Bewunderung in seinen Augen zu reagieren und Kerrs Warnung zu ignorieren, jedoch hatte sie kein Interesse daran, eine Konfrontation herbeizuführen. Noch weniger als das wollte sie mit den Gefühlen spielen, die Gervaise womöglich für sie empfand. Kerr mochte sie für herzlos halten, doch das war nicht der Fall. Außer gegenüber denjenigen, die ihr einen Grund dafür geliefert hatten.
Sie schlug eine andere Richtung ein und suchte sich einen Platz weiter hinten an dem langen Tisch. Dort setzte sie sich gegenüber der jungen Madame Dossier hin, die den Säugling auf dem Schoß und zu jeder Seite ein Kleinkind sitzen hatte. Kerr wartete, bis sie sich richtig niedergelassen hatte, dann stieg er über die Sitzbank und gesellte sich zu ihr.
Aus dem Augenwinkel sah Sonia, wie Gervaise’ Gesicht rot anlief und er sich auf die Unterlippe biss. Sie bedauerte seine offensichtliche Verlegenheit, doch das ließ sich nicht ändern. Besser so, als wenn sie seinen Tod auf dem Gewissen hatte. Sie konnte nur hoffen, ihn nicht noch weiter entmutigen zu müssen, da sie sich nicht sicher war, ob sie dazu in der Lage sein würde. Ihre Kehle war wie ausgedörrt, und sie musste nach dem Glas Wasser an ihrem Platz greifen.
»Er wird es überleben«, sagte Kerr leise. »Sie haben ihm nur den Morgen verdorben, nicht sein ganzes Leben.«
»Ich wollte ihm überhaupt nicht wehtun!« Dabei knallte sie das Glas mit solcher Wucht auf die Tischplatte, dass das Wasser über den Rand auf ihre Finger spritzte.
»Das lässt sich nicht verhindern. Es sei denn, Sie gehen davon aus, jeden Gentleman zu heiraten, der sich nach Ihnen verzehrt.«
»Seien Sie doch nicht so albern.«
»Ich wollte Ihnen nur etwas klarmachen. Sie hätten ihn so
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