Duell der Leidenschaft
Schaukelbewegungen des Schiffs kaum etwas aus. Sie empfand kein ausgeprägtes Unwohlsein, jedoch ließ ihr Appetit sie im Stich. Das war für sie aber kein Grund zur Sorge, da sie keinen rechten Hunger mehr verspüren wollte, seit sie das erste Mal Kerr Wallace zu sehen bekommen hatte.
Dieser Gentleman erfüllte seine Aufgabe mit ausgeprägtem Pflichtbewusstsein und sah in regelmäßigen Abständen nach ihr, wie es ihr ging. Manchmal richtete er die eine oder andere Frage an sie, doch meistens zog er sich gleich wieder in den Salon zu den anderen Gentlemen zurück. Dort schien ein Kartenspiel im Gange zu sein, das nur für die Mahlzeiten unterbrochen, aber nicht beendet wurde.
Hin und wieder war auch Monsieur Tremont bei diesem Spiel anwesend, die meiste Zeit aber hielt er sich an Sonias Seite auf. Sie hätte sich angesichts seiner Aufmerksamkeit ihr gegenüber geschmeichelt fühlen können, doch ihr war nur zu gut bewusst, dass sie als einzige Frau an Bord zumindest halbwegs ungebunden war. Dazu kam, dass sich fast jedes ihrer Gespräche auf irgendeine Weise um Kerr drehte, weshalb der Plantagenbesitzer sich wohl weniger für sie, sondern in erster Linie für die Aktivitäten des Mannes aus Kentucky interessierte.
Sie wusste, es gab Gentlemen, die ganz vernarrt waren in die maitres d’armes der Passage. Ihre Geschicklichkeit, ihre Muskelkraft und die Fähigkeit, sich dem Tod a s ang froid zu stellen, weckte größte Bewunderung. Eine Stunde in der Gesellschaft eines solchen Fechtmeisters zu verbringen war etwas, worüber man anschließend noch wochenlang reden konnte. Jungs liefen ihnen auf der Straße hinterher, die Stutzer und die Adligen überall in der Stadt äfften ihre Manieren und ihren Kleidungsstil nach, und ältere Gentlemen betrachteten es als große Ehre, wenn ihnen gestattet wurde, ihnen ein Getränk oder ein Essen zu spendieren. So wie den Helden in einem von Scotts Romanen schrieb man auch ihnen zumindest in der Fantasie überlegene Stärke, Macht, Mut und Ehre zu.
Ihr fiel es schwer zu glauben, Alexander Tremont könnte einer solchen Ehrfurcht und Verehrung erlegen sein, wo er doch solche Vorbehalte gegen Kerr vorgetragen hatte. Dennoch konnte sie sich keinen anderen Grund vorstellen, warum ihn das Thema so faszinierte.
Sie unternahm wenig, um Monsieur Tremonts Aufmerk -samkeit ihr gegenüber einen Dämpfer zu verpassen, aber sie beschränkte sich darauf, ihm mit unverbindlicher Freundlichkeit zu begegnen. Es war sicher von Vorteil, einen ihr zugetanen Bewunderer in der Hinterhand zu haben, sollte sie irgendeine Art von Hilfe benötigen. Die Fahrt von New Orleans nach Vera Cruz dauerte unter normalen Bedingungen nicht länger als eine Woche. Schon bald — sehr bald sogar - musste sie entscheiden, wie sie bei ihrer Ankunft vorgehen wollte.
Die Ungewissheit machte sie fast wahnsinnig. Sie war ungeduldig und lustlos, und sie neigte zu Kopfschmerzen, doch damit war sie nicht allein. Die Seekrankheit, die wegen des starken Seegangs viele an Bord heimgesucht hatte, und der heftige Wind, der den Dampfer immer wieder zur Seite drückte, machten jeden an Bord nervös. Der Captain herrschte seine Offiziere an, die wiederum schrien die Seeleute an, und die Stimmung der wenigen noch von der Seekrankheit verschont gebliebenen Passagiere reichte von kühler Höflichkeit über Gereiztheit bis hin zu regelrechter Schroffheit.
Am Abend des vierten Tages waren die Tische im Speisesalon für noch weniger Gäste als zuvor gedeckt. Suppe stand nicht länger auf der Speisekarte, da es zu schwierig war, sie zu servieren, und aus der Küche hörte man in erschreckend regelmäßigen Abständen, wie weitere Teller zerbrachen. Als dann ein kaltes Fischgericht serviert wurde, dünnte sich die Zahl der Passagiere weiter aus, da es ihnen genügte, einmal an dem Mahl zu riechen, bevor sie fluchtartig den langen Raum verließen.
Zu dieser Gruppe gehörte auch Kerr, der - wie Sonia bemerkte — mit ernster Miene und blassem Gesicht nach draußen ging. Natürlich fühlte sie mit ihm, doch sie war auch verwirrt. Dass ein so unbezwingbar wirkender Mann außer Gefecht gesetzt wurde, während sie selbst noch auf den Beinen war, hatte schon etwas Ironisches an sich, das ihre weibliche Seele ansprach.
Mitten beim Dessert drohten die wild hin und her schaukelnden Waltran-Lampen am höchsten Punkt ihrer Schwingung gegen die Decke zu schlagen. Einige Besatzungsmitglieder kamen hereingestürmt, löschten die Lampen und nahmen sie
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