Duell der Liebe
»Nun sagen Sie bloß, Sie bemitleiden sich selbst. Was wissen Sie schon von Schmerzen und Entbehrungen? Das Leben einer Opernsängerin zeichnet sich doch nicht durch Entbehrungen aus. Was machen Sie denn den ganzen Tag? Sie singen. Und wenn Sie nicht singen, besuchen Sie Ihre Schneiderin. «
»Sie haben nicht die geringste Vorstellung vom Alltag einer Sängerin. Wenn Sie brav liegen bleiben und still sind, erzähle ich Ihnen, wie ich zu meinem Beruf gekommen bin. Ich muß damals sieben Jahre alt gewesen sein, als mein Vater einer Gruppe von Siedlern half. Sie waren in den Westen gekommen, um einen Handelsposten zu gründen, und… «
»In Lanconia? «
»Das Ziehen der Stacheln könnte eine sehr schmerzhafte Prozedur für Sie werden, wenn Sie mich dauernd unterbrechen. Also seien Sie still, und hören Sie mir zu. Zu dieser Gruppe von Siedlern gehörte eine kranke Frau, die auf dieser Reise ihren Mann verloren hatte… «
»Indianer? «
»Nein, soweit ich mich erinnern kann, wurde er von einer Klapperschlange gebissen. Die anderen Siedler waren sehr verärgert, weil sie seine Witwe am Hals hatten und sie versorgen mußten. Noch dazu war sie krank, und nach allem, was mir mein Vater damals erzählte, ließen die Siedler die Frau spüren, daß sie nur eine Last für sie war. Mein Vater hatte keine Sympathie für diese Siedler, denn er betrachtete sie als eine Plage für das Land. Er… «
»Ich dachte, Ihr Vater wäre ebenfalls ein Siedler gewesen, oder war er das nicht? «
»Wollen Sie mir jetzt zuhören oder reden? «
»Ich kann es kaum erwarten, noch mehr über Ihren illustren Herrn Vater zu hören. «
»Sie sollten sich geehrt fühlen! Also - wo war ich eben stehengeblieben? «
»Bei Ihrem Vater, einem Siedler, der sich darüber ärgerte, daß noch mehr Siedler ins Land kamen. «
»Entschuldigung«, sagte sie, als sie einen Stachel drehte, »habe ich Ihnen etwa weh getan? Ich werde versuchen, behutsamer zu sein, aber wenn Sie nicht aufhören, mich zu unterbrechen, kann ich natürlich für nichts garantieren. Also -worüber habe ich gerade gesprochen? Ach ja, von Mrs. Benson. Mein Vater meinte, meine Mutter würde sich vielleicht über eine Gesellschafterin freuen, also brachte er die Witwe in unser Haus. Er wollte sie im Frühjahr zurück an die Ostküste bringen. Die Geschichte endete damit, daß Mrs. Benson vier Jahre bei uns blieb, bis sie einen Mann, der auf der Durchreise war, kennenlernte, sich in ihn verliebte und ihn heiratete. Aber damals hatte ich bereits Madame Branchini. «
»Und die hat Ihnen das Singen beigebracht? «
»Ich greife den Ereignissen voraus. Mrs. Benson hatte an der Ostküste Klavier-und Gesangsunterricht gegeben, und meine Mutter meinte, es wäre nett, wenn sie mich ein bißchen beschäftigen würde, weil ich auf meine ältere Schwester Gemma schrecklich eifersüchtig war. Meine Mutter ist Malerin, müssen Sie wissen, und meine Schwester hat ihr Talent geerbt. Gemma konnte schon mit fünf Jahren in Öl malen, während ich nicht mal ein Pferd zeichnen konnte. Ich war eifersüchtig, weil meine Mutter so viel Zeit mit Gemma verbrachte. «
»Also hat Ihre Mutter Sie der Musiklehrerin überlassen, und Sie begannen sofort mit dem Singen von Arien? «
»Nein, ich habe schon früher kleine lustige Lieder gesungen, die mir Freunde meines Vaters beigebracht hatten. «
»Lieder wie >Gott segne die Königin Waren die Freunde Ihres Vaters auch Herzöge? «
Sie ignorierte seine Frage. »Niemand hatte eine große Meinung von meiner Stimme, bis Mrs. Benson eines Morgens einen Koffer durchsuchte, den mein Vater gefunden hatte. Er war vom Wagen eines Siedlers heruntergeworfen worden - diese Dummköpfe nehmen alles mit, was sie besitzen, bis sie die erste schwierige Stelle ihrer Route erreichen und Ballast abwerfen müssen. «
’Ring kannte aus eigener Erfahrung ein paar solcher schwierigen Stellen - Schluchten mit fünfzig Meter hohen steilen Wänden. »Was befand sich in diesem Koffer? «
»Notenblätter. Mein Vater hatte den Koffer mit nach Hause gebracht, weil er glaubte, Mrs. Benson und ich hätten vielleicht Verwendung dafür. « Maddie zog wieder einen Stachel aus Montgomerys Rücken und lächelte. »In dem Koffer befanden sich die Noten zu >Air des bijoux< aus der Oper >Faust<. «
»Die Edelstein-Arie«, sagte er leise.
»Richtig. «
»Ich kenne die Arie nicht, aber vielleicht erkenne ich die Melodie, wenn Sie sie mir Vorsingen. «
»Ohne erschlagenen Drachen ist da nichts
Weitere Kostenlose Bücher