Duell der Mächtigen
Leben würde es so ausgehen, daß sie Ihnen wie ein Amulett um den Hals hängt.«
»Ich denke, das ist eine vernünftige Vorhersage. Das andere Szenarium ist viel komplizierter, weil dafür eine dritte Person nötig ist. Transferenz. Ich würde einen anderen Mann bitten, meinen Platz in ihrer Zuneigung einzunehmen. Jemand, der ihr vielleicht nahe steht. Jemand, der sich auch auf die menschliche Natur versteht. Sie, Dr. McCoy.«
Bones starrte ihn an und lachte schallend. »Von mir erwarten Sie, ich solle Schwester Chapel verführen? Damit Sie selbst aus der Schußlinie kommen?«
»Ihretwegen, Doktor. Wirklich, es ist ja ihr Problem, nicht das meine.«
Wie auf ein Stichwort hin lachten hinter dem Wall die Frauen. »Aber … aber … Spock … oh, verdammt noch mal. Wie kann ich Ihnen das erklären? Chapel ist nicht … Schwester Chapel ist meine berufliche Kollegin und engste Mitarbeiterin. Daß sie eine Frau ist, kann ich nur als unbedeutenden Zufall bezeichnen. Ich bin auch ihr Berater. So etwas wie eine Vaterfigur.«
»Also Inzest-Tabu?«
»Teufel, welchen Unsinn haben Sie sich da zusammengelesen? Auf einer sehr naiven Ebene könnte da ein geringes Element vorhanden sein … Aber, wichtig und zutreffend ist, daß sie keine Frau ist, sondern eine Krankenschwester!«
Ein paar Leute drehten sich zu ihnen um, weil sie sehen wollten, warum die beiden Männer sich so erhitzten und schrien. McCoy sprach daher ein wenig leiser weiter. »Außerdem wäre es unehrlich. Ich weiß, es gibt Zeiten, da ist Ehrlichkeit nicht gefragt oder angebracht. Aber ein Mädchen in eine Rosenlaube führen …«
»Ich wollte Sie ja auch nicht bitten, etwas zu tun, das Ihrer Natur zuwiderläuft, Dr. McCoy.«
»Und was, zum Teufel, soll nun das wieder heißen?« McCoy war jetzt ein bißchen gereizt, denn das Thema behagte ihm nicht. Trotz oder wegen der offensichtlichen Konkurrenz von Charvat und Atheling hatte Bones mindestens ein Auge auf Sharon Follett geworfen.
Spock zwang ihn nun, zum erstenmal bewußt darüber nachzudenken. Nun ja, also Follett eher als Chapel? Hm. Follett war zehn Jahre älter als Chapel und vier Jahre jünger als Bones, und so brauchte er nicht das Gefühl zu haben, er sei ein Wiegenräuber. Genau wie er hatte sie eine kurze Ehe hinter sich, die mit einer Scheidung geendet hatte. Beide Frauen waren beruflich soweit, daß er sich bei ihnen behaglich fühlen konnte, sowohl gesellschaftlich wie auch intellektuell; beide waren schön, aber Folletts Schönheit hatte eine harte Kante.
Einen Faktor konnte er kaum richtig in Worte fassen, und er würde es nie wagen, ihn Spock erklären zu wollen. Ungefähr zehntausend Körper hatte er in beschädigtem Zustand gesehen und an ihnen herumgeflickt; die Hälfte davon war weiblich. Er könnte also mit Recht behaupten, zu wissen, was Männlein und Weiblein in einem Umkreis von hundert Lichtjahren ticken machte.
Aber da gab es ja auch noch ein anderes Wissen: das Spiegelbild des logischen Grundes, der Spock auf die Oberfläche von Anomaly gebracht hatte: daß das Fehlen von Daten nicht gleichbedeutend ist mit der Abwesenheit von Informationen. Ein Übermaß an Daten kann auch nicht immer den Schleier des Geheimnisses lüften.
Seit einigen Jahren, wann immer Bones vor dieses Geheimnis gestellt war, hatte er Schwester Chapel neben sich gehabt, um das Dekorum zu wahren und bei der Verständigung zu helfen. Sein persönliches Bild von ihr mußte also das einer Anstandsdame und konnte kaum das einer möglichen Geliebten sein. Und da stellte er sich dann ganz logisch vor, daß ihr persönliches Bild von ihm auch nicht übermäßig sexy sein konnte.
»Spock, das würde niemals gehen. Wir sind nur …« Ein Schrei von draußen schnitt ihm das Wort ab.
Spock und McCoy kamen zuletzt zur Tür. Um die Zeit war die Zugbrücke schon herabgelassen, und die Leute liefen darüber.
Ungefähr zwanzig Meter vom Graben entfernt kam Hixon langsam auf sie zu. Seine Ohren und die Nase fehlten, die Augenlider hingen schlaff über leeren Höhlen. Er lächelte.
10.
Chapel hatte sich eiligst angezogen und wartete auf McCoy, als er und Spock Hixon in das Lazarettboot und zu Bett brachten. Das Bett rollten sie herum, um möglichst gutes Licht zu haben.
»Unglaublich.« McCoy tastete vorsichtig die glatte Haut dort ab, wo Nase und Augen gewesen waren. »Das ist ja furchtbar brutal, aber … Schwester, wo ist das stärkste Vergrößerungsglas?«
Sie reichte es ihm, und er machte eine
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