Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
der Worte lockte und überraschte sie fast, als hörte sie seine Stimme zum ersten Mal, hatte sie doch die Magie, die von ihr ausging, in den stillen Wochen an Bord des Schiffes ganz vergessen.
Sie drehte sich langsam um und ging mit schleppenden Schritten und hängendem Kopf über das Deck auf ihn zu. Sie wollte ihm sagen, daß sie nach Hause mußte, ihr dieser Ort nicht gefiel, weil er tot war und in ihr ein Gefühl von Totsein auslöste – aber sie wagte es einfach nicht. Sie spürte, wie eine Unruhe in ihr aufkam, die sie weder beschreiben noch ganz verstehen konnte; ein wachsender Widerwillen dagegen, sich herumstoßen zu lassen, ohne zu begreifen, was eigentlich geschah. Als sie sich zwang, zu ihm hinaufzublicken, war sein prachtvolles Gesicht entspannt, er lächelte sogar ein bißchen – doch er war immer noch weit, weit weg und sein Lächeln nur eine Grimasse, die seine Augen nicht erfaßte. Sie sagte nichts, sondern ergriff nur die Hand, die er ihr entgegenstreckte.
Er hob sie hinaus auf die Pier und führte sie hinab bis zu der Felswand, die glasglatt und ohne jede für sie erkennbare Ausbuchtung war. Sie riß die Augen weit auf und fragte sich, was der Noris vorhatte, dann japste sie vor Erstaunen und Angst, als ihre Füße von der Pier abhoben.
Sie stiegen elegant empor und schwebten mit der Leichtigkeit der Seevögel dahin, die ihre jüngsten Begleiter gewesen waren. Nachdem ihre Furcht zerstob und sie sicher war, nicht abzustürzen, lachte sie vor Freude und strampelte mit den Füßen. Der Noris ignorierte ihre Possen. Oben auf der Klippe bremste
er den Flug ab und landete mit ihr in einem tiefen Alkoven an der Außenmauer des Turmes. Er stellte sich vor die hohen Bronzetüren am Ende des Alkovens und sprach leise ein Wort. Die Türen teilten sich und polterten gegen die Steinwände. Er schritt zwischen den grün angelaufenen Platten hindurch in die absolute Finsternis dahinter und zog Serroi wie einen fast vergessenen Drachenschwanz hinter sich her.
Kaum war der Noris über die Schwelle getreten, da schlug die Tür hinter ihnen zu und hätte Serrois Umhang fast zwischen ihren Kiefern gefangen. Sie keuchte und stolperte angesichts der plötzlichen Dunkelheit blind und furchtsam dahin. Sie klammerte sich an die kühlen Finger des Noris, ging mit ihm durch viele stockfinstere Gänge und mußte ganz darauf vertrauen, daß er sie wieder ins Licht führte. Er ging so ungehindert, als wäre die Dunkelheit für ihn durchsichtig, doch sie fühlte ihr Grauen anwachsen, bis es ihr fast die Kehle zuschnürte. Als sie mit Bestimmtheit wußte, daß sie keinen einzigen Schritt mehr tun konnte, blieb er stehen, ließ ihre Hand los und sprach ein Wort.
Vor ihnen teilte sich die Wand, und ein kühles, perlmuttartiges Licht flutete in die Finsternis. Der Noris trat hindurch in den dahinterliegenden Raum. In Serrois wäßrigen Augen wirkte er wie eine hohe, schwarze Säule mit opalinen Rändern. Sie rieb sich mit den Fäusten die Augen und folgte ihm dann scheu. Bei dem Raum handelte es sich um einen kuppelüberwölbten Zylinder, der für sie so groß wie das Innere eines Berges wirkte. Das Licht kam von überall und erfüllte den Raum. Rings an den Wänden standen hohe Stühle, und einige Wandteppiche hingen dort, die Abbildungen von Pflanzen und Tieren in strahlenden Farbtupfern sowie drei lange, schmale Tuschzeichnungen – ebenfalls Naturabbildungen in Schwarz und Weiß –zeigten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs ragte ein Podium aus der Wand hervor, auf dem sich ein massiver Thronsessel erhob; das dunkle Holz glich sich windenden Weinreben, und geschnitzte Tierköpfe fauchten durch das Blattwerk der Ranken. Der Teppich am Boden war ein Hauch strahlender Blätter- und Blütenformen. Serroi stieß einen leisen Überraschungsschrei aus und blieb stehen, um mit der Hand durch die dicken, seidigen Fransen zu fahren, eine der gewundenen Ranken nachzuzeichnen und über eine karmesinrote Blüte zu streichen. Sie blickte mit einer Frage auf den Lippen zu dem Noris empor, die jedoch sogleich erstarb, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. »Alles Dinge, die mir verweigert bleiben«, sagte er. Sie fühlte den Schmerz und die Selbstverhöhnung in seiner leisen Stimme und kauerte sich zitternd auf den prachtvollen Teppich, furchtsamer als je zuvor in ihrem Leben. Dann war er wieder ruhig und sein Gesicht wie ein geschnitzte Maske. Er streckte die Hand aus. Langsam richtete sich Serroi auf, kam auf die Beine,
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