Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
vor dem Gesicht, das sie in den vergangenen fünfzehn Jahren verfolgt hatte.
Dämonen
zu rufen.
Das hat er Morescad versprochen. Er? Er würde nicht wagen, es zu versuchen, wenn er keinen Rückhalt hätte. Rückhalt, von dem Morescad und Lybor nichts wissen konnten, sonst wären sie nicht an ihn herangetreten.
Sie runzelte die Stirn, als sie sich an weitere Einzelheiten der Szene in dem geheimen Zimmer erinnerte.
Lybors Amme. Sie hatte den Kreis mit der Flamme auf den Ärmel gestickt. Die Söhne der Flamme. Sind sie in diese Angelegenheit verwickelt? In Verbindung mit den Nearga-nor? Das konnte nicht sein. Sie schimpften fast ebenso heftig auf den Norim wie auf die Jungfrau.
Sie kaute auf ihrer Unterlippe.
Das sind alles Spekulationen. Ich brauche mehr Informationen. Trotzdem sollte Jael-mri erfahren, was wir beobachtet haben. Noch ein Grund, nach Oras zurückzukehren. Coperics Vögel. Aber wie ... wie ... wie ... falls sie nach mir suchen oder der Nearga-nor hinter mir her ist? Oder Ser Noris.
Sie flüsterte seinen Namen in den grauen Morgen. »Ser Noris? Wozu lebe ich?« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Warum hast du mich am Leben gelassen?« Diese Frage hatte sie sich schon Hunderte Male gestellt, und wie immer erhielt sie auch jetzt keine Antwort. Sie rieb sich ungeduldig die Augen, drehte sich herum und rutschte vom Bett.
Ihre Füße schlurften leise über den Dielenboden, während sie immer wieder auf und ab ging und hörte, wie sich die Familie auf der Schlafetage jenseits der dünnen Wand regte. Das breite, flache Bett hinter ihr war das des Intiis. Er und seine Frau hatten sich zu nahen Verwandten ausquartiert, die alle auf einer breiten Hochetage über dem einzigen Raum des großen Hauses auf Schlafmatten nächtigten. Andere Angehörige schliefen unten, wo immer sie Platz fanden, ihr Bettzeug auszubreiten. Obgleich sie recht dankbar war für die Ungestörtheit, vermutete sie dahinter weniger eine höfliche Geste als den Wunsch, die Leute vor der lästigen Anwesenheit eines Außenstehenden zu schützen. Sie streckte sich erneut, vollzog ein paar rasche Drehungen und Beugen und begann sich dann anzuziehen.
Der Himmel rötete sich im Osten, als sie auf die Straße trat, doch das Dorf lag noch dunkel und ruhig, obwohl durch die meisten Türen und Fensterläden schon Licht herausschien. Als sie langsam an den großen, rechteckigen, aus Sandstein und weißem Kalk erbauten Häusern vorüberging, sah sie, wie die Knechte der Fischer die Varcam molken und anderes Vieh fütterten. Die Hütten, Ställe und Verschläge drängten sich zwischen Wohnhäusern und Mauern. Direkt hinter sich hörte sie ein Grunzen, wirbelte herum und sah, wie ein Posser über die Straße trottete, sich an eine Hauswand lehnte und seine steifen Borsten an dem weichen, weißen Stein rieb. Plötzlich tauchten neben ihr weitere Schatten auf und zogen vorüber. Offensichtlich ließen die Fischer ihre Posserim frei laufen und außerhalb der Mauern weiden, wo sie zwischen den Gräsern nach Knollen scharrten und kleine Nager aus ihren Nestern gruben.
Sie näherte sich langsam dem offenen Tor. Nach den Gewalttätigkeiten des vorangegangenen Abends wirkten der Frieden und die Normalität der Morgendämmerung fast verwirrend.
Sogar der Himmel mit seinen verblaßten Sternen und den Wolkenfetzen vom Gewitter der vergangenen Nacht war ruhig. Dann sah sie, wie dunkle Köpfe in den Turmfenstern erschienen und in Richtung der Berge Ausschau hielten. Das Leben ging seinen gewohnten Gang, doch der Intii wollte keinen Überraschungsangriff riskieren.
Fackeln erhellten die dunklen Gestalten der Männer, die an den Booten arbeiteten, sie aufrichteten, ins Wasser schoben und die Masten setzten. Wenn sie sprachen, was selten vorkam, hallten ihre Stimmen hohl übers Wasser. Ihre Schatten hüpften und tanzten über Gras und Schlamm.
Serroi lehnte sich gegen einen schweren Torpfosten, der halb in den Kies der Kreidewand eingelassen war, als noch mehr Posserim an ihr vorüberschlenderten. Sie beobachtete, wie die geschäftigen Männer alles vorbereiteten, mit der bevorstehenden Ebbe hinaus aufs Meer zu fahren, und empfand eine Ruhelosigkeit, die wenig mit ihrer sorgenvollen Entschlossenheit, nach Oras zurückzukehren, zu tun hatte. Sie verharrte noch ein wenig, dann folgte sie den Posserim an der Mauer entlang und hinaus ins Grasland. Die Sonne zeigte Schicht um Schicht der transparenten Farbtöne, als sie hinter den zerklüfteten Gipfeln der Zähne der
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