Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
Tränen hinab.
Ich werde später um dich weinen, Tayyan. Wenn es notwendig ist.
Die blauen Schatten verdunkelten sich zu Indigo, als sich oben Wolken zusammenzogen und über den Sternenhimmel zogen, bis nur noch wenige Fünkchen zu sehen waren. Ein Schatten unter vielen kam raschelnd übers Gras und blieb vor ihr stehen. Das Weiße in seinen Augen blitzte hektisch, als sein Blick von ihr zu dem schlafenden Mädchen neben ihr wanderte.
»Haes angeleh, Shuri«, murmelte sie, blieb reglos sitzen und wartete, daß der Shuri zu sprechen begann.
»Hasna angelta, Meie.« Die Stimme aus der Dunkelheit klang leise und verwaschen, ihr Ton fragend. »Warum Shurin angerufen?«
Sie ließ die Stimme auf sich wirken und beschloß, die männliche Wortendung zu wählen. »Shurid, ich rufe dich, weil ich dich brauche.« Sie sprach langsam und ernsthaft. Es war wichtig, behutsam vorzugehen. Die Shurin waren ein stolzes und empfindliches Volk – und respektable Feinde, wenn sie sich dazu entschlossen. Nervös fuhr sie sich mit der Hand übers Haar, um sich windzerzauste Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. »Wir beide – dieses Kind und ich – werden von den Kapparim gesucht.« Sie ließ ihre Hand auf Dinafars Schulter lallen und spürte, wie diese vor ihrer Berührung zurückwich. » Eine Doppelhand Tode schulde ich ihnen. Ich erbitte nur eines von Shurid: eine sichere und schnelle Reise durch die Zähne der Erde.«
Der Shuri schwieg. Er stand völlig reglos, nur seine großen, runden Augen blickten abwechselnd auf Dinafar und Serroi, bis Serroi sich wegen ihrer Vermutung Sorgen zu machen begann – war der Shuri letzten Endes doch weiblich? Sie entspannte sich, als der Shuri seinen pelzigen Kopf neigte. »Beeidet ist das Bündnis zwischen Shurin und Meien. Leistung gegen Leistung, so besagt es der Pakt.«
Verwirrt und argwöhnisch wiederholte Serroi die Worte des Shuri. »Leistung gegen Leistung. Ist Biserica jemals Verpflichtungen nicht nachgekommen?«
»Mondensammlung hat Nyok'chui aus Erde gelockt. Hat Höhle bezogen im Kabeel-Gewässer. Die Glishnacht ohne Wasser vertrocknet. Jahreszeiten-Mutter als erste entrissen. Kitunahan bringt kein Wasser nach Glishnacht. Wam'toten, unsere diesjährigen Kinder, voller Angst, Hunger und Durst, daß ich muß weinen. Ich bin der Vater dieser Paarungszeit. Paarungszeitenmutter Messer genommen; Falle gestellt; gefressen worden.« Die rauhe Stimme erstarb, nachdem sie durch die große Trauer, welche die kleine Gestalt bewegte, noch belegter geworden war. So dringlich ihre eigene Notlage war, sie durfte den Anspruch des Shuri nicht leugnen. So verlangte es der Pakt. Sie blickte hinab zu dem Mädchen, das sich im Schlaf regte, und lächelte wehmütig.
Ein neues Problem, ein neues Hindernis.
Sie rüttelte Dinafar wach.
Als sie durch den trügerischen Spalt mit seinen herabgestürzten Felsen und gefährlichen Wänden aus dem Tal herausritten, sammelten sich die Wolken über ihnen und schoben sich zwischen Mondensammlung und Erde. Der Wind preßte Serroi die Kleider gegen den Leib und versuchte, sie aus dem Sattel zu heben. Sie schaute zurück und fragte sich, wie Dinafar zurechtkam. Das Mädchen saß tief über den Macainacken gebeugt, um dem Wind eine möglichst geringe Angriffsfläche zu bieten. Serroi lachte vor sich hin. Er
lernt schnell, der kleine Mischling.
Sie spürte, wie etwas von der Sorge, die sie niederdrückte, verflog. Die einfache Tatsache, daß sie wieder unterwegs in Richtung Stadt war, genügte, um ihren Kummer für eine Weile zu lindern. Wie immer wühlte der Sturm draußen ihr Blut auf und besänftigte den Sturm in ihrem Innern. Sie bewegte sich mühelos im Sattel, fügte sich dem Auf und Ab des Macai und hatte das Gefühl, auf dem wogenden Wind zu reiten, ohne die'' Erde auch nur zu berühren. Blitze zuckten auf und überzogen die Welt mit Schwarz-Weiß-Mustern. Grelle Schwarz-, grelle Weißtöne, wie die Muster, die ihre Mutter immer in Gürtel und Zierkanten gewebt hatte.
Als sie dem dunklen Schatten einen steinigen Pfad hinauffolgte, lachte sie laut auf, denn sie sah die Ebenen wieder vor sich, wo sie geboren war. Ebenen weit im Norden von hier, wo manche Nächte im Hochsommer tagelang anhielten. Sie konnte in ihren Knochen das quietschende Schaukeln des Wagens spüren, der ihr in den ersten Lebensjahren Wiege und Zuhause war. Sie mußte daran denken, wie sie mit ihren Chinin umher-getollt und neben der langsam dahinziehenden Herde durch stürmische Gewitter
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