Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
ihren ausgestreckten Händen und dem Rand der Hofmauer noch eine Körperlänge Abstand. Nach ihrem letzten Versuch saß sie auf dem Dach, ließ ihre Beine über den Rand baumeln, schenkte dem aufkommenden, feuchten Nebel, der sie in Gräue hüllte, keine Beachtung und fragte sich, was sie nun tun sollte.
In dem Nebel erblühte etwas Dunkles und schob sich wie ein schwarzer Finger zum Himmel. Sie sah gelassen zu und überlegte, was da wohl geschah. Hoch über der Nordmauer wirbelte und blähte sich der schwarze Rauch und verfestigte sich bald zur Gestalt eines riesigen Nor mit schwarzem Gewand und bleichen Händen und Gesichtszügen. Die nebelhafte Gestalt hob eine Hand und schleuderte Blitze gegen den Turm. Serroi stockte der Atem. Hastig rutschte sie über den Rand des Käfig-dachs und schwang sich an den Stangen hinab zu Boden. Als sie wieder emporschaute, erkannte sie einen zweiten Rauch-Nor im Süden. Diese Gestalt schleuderte einen weiteren Blitz gegen den Turm. Er traf hoch an der Seite auf, spaltete sich und fuhr als Lichtring um das Gestein. Voller Furcht rannte Serroi in die Zelle und schlug die schwere Holztür hinter sich zu.
Den ganzen Winter über strahlten die Wände ihrer Zelle eine sanfte Wärme aus, die sie am Leben hielt und ihr Behaglichkeit schenkte. Während die Tage verstrichen und die Attacke anhielt, begannen die Wände vor Hitze zu glühen, so daß der Nebel an ihnen kondensierte, sich mit anhaltendem Zischen in Dampf verwandelte und ihr Loch in der Mauer unerträglich wurde. Sie kauerte auf dem verschwitzten Haufen auf ihrem Bett und sah sich um. Die Schabe war irgendwo verschwunden, vielleicht hatten die Rinnsale, die die Wände herabströmten, sie vertrieben.
Ich kann nicht hierbleiben,
dachte sie. Sie wischte sich über die Stirn und strich sich das strähnige, triefende Haar aus dem Gesicht.
Ich kann hier nicht bleiben.
Unglücklich und ängstlich schleuderte sie den Eimer in den Hof hinaus, blieb einen Augenblick stehen und beobachtete, wie er auf den Wasserhahn zurollte.
Immer noch Nebel. Irgendwo da oben scheint die Sonne.
Sie zuckte zusammen, als die dunklen Gestalten außerhalb der Mauern sich regten, sah sie umherziehen, zusammenkommen und auseinandergehen und wie Gewitterwolken bedrohlich den Turm überragen. Wieder drinnen grub sie alle Decken und Laken aus, die sie finden konnte und begann, die Schabe zu suchen. Sie suchte lange Zeit, ehe sie schließlich Decken und Laken bündelte und sie über den Hof zu dem großen Käfig schleppte, wo vergangenen Frühling der Sicamar so ruhelos auf- und abgegangen war. Im Innern des Käfigs befanden sich Baumstämme und breite Sitzflächen aus gemasertem Gestein, das sie vor der sengenden Hitze schützen und ihr ermöglichen würde, in diesem Ofen zu überleben. Sie breitete eine Decke auf dem Gesims aus, wo der Sicamar immer geschlafen hatte, warf die übrigen Sachen in eine Ecke des Käfigs, zögerte wegen der offenen Tür, warf rasche Blicke zu den wogenden Gestalten und fragte sich derweil, warum ihr Noris nichts unternahm. Sie ging schnell zum Wasserhahn über die Steinfliesen, die durch ihre Schuhsohlen hindurch sengend heiß waren. Sie füllte den Eimer, rannte damit zurück und biß die Zähne zusammen, um den stechenden Schmerz zu ertragen.
Die Tage vergingen.
Während der langen Nächte schienen die Wände glutrot, und die Luft im Innenhof war kaum mehr zu atmen. Sie war hungrig. Sie hatte nichts zu essen. Den ganzen Tag und die ganze Nacht waren die Hände nicht erschienen.
Sie warf Decken und Laken wie Trittsteine in einem Wasserlauf vor sich aus, als sie irgendwann nach Mitternacht – ohne Monde und Sterne war das schwer zu bestimmen – noch einmal zum Brunnen ging. Sie tanzte von einem Bein auf das andere, als die Hitze durch die Decken glühte, während sie darauf wartete, daß das Rinnsal mit dem schier kochenden Wasser endlich den Eimer füllte. Im Norden und Süden konnte sie immer noch die hohen Gestalten der Norim als zwei schwarze Säulen erkennen.
Morgen wird es schlimm werden,
dachte sie, blickte wütend in Richtung Turm und fragte sich erneut, warum der Noris nichts unternahm. »Er
hat doch keine Angst. Er kann keine Angst haben.«
Sie starrte den Riesen im Norden an. Er
wird schon kommen, wenn er bereit ist.
Morgendämmerung. Sie rutschte unruhig umher, da die Steine fast unerträglich heiß geworden waren. Zweimal ging sie Wasser holen. Der Tag dauerte an, dauerte endlos an.
Und ging schließlich zu
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