Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
zurück und brach in Gekicher aus,
Die Schabe erhob sich auf schwirrenden, ausgespannten Flügeln, kreiste ungeschickt und landete dann neben einem Essensrest auf dem Boden. Sie ließ die Flügel unter die Chitindekke zurückschnellen und wackelte auf einen großen Krümel zu. Schließlich stieg sie mit den Vorderbeinen auf das Brot und verharrte mit zuckenden Fühlern und hin- und herdrehendem Kopf, bis sie sicher war, daß kein anderes Tier hier lauerte, um ihr den Bissen wegzuschnappen. Beruhigt ließ sie sich neben dem Krümel nieder und begann zu fressen. Serroi legte sich flach auf den Bauch, stützte den Kopf in die Hände und sah zu, wie die Schabe ihr Brot knabberte.
Als das Insekt seine Mahlzeit verzehrt hatte, flog es auf einen der Bettpfosten hinauf, wo es wie ein Eroberer Stellung bezog und sein neues Königreich überblickte. Serroi rutschte vom Bett, zog ihre Kleider an und achtete dabei darauf, ihre neue Begleiterin nicht durch plötzliche Bewegungen zu erschrecken. Zum ersten Mal seit Tagen war sie ungeduldig mit sich und ihrer Umgebung.
Vor einigen Monaten hatten ihr die Hände ungefragt ein paar Putzutensilien gebracht, einen Schrubber, eine Scheuerbürste, einen alten Eimer und einen Topf Schmierseife – alles stand unberührt in einer Ecke. Nun riß sie den Deckel des Topfes herunter, warf einen dicken Klumpen Schmierseife in den Eimer und runzelte wegen des säuerlichen Geruchs die Nase. Sie schaute nach der Schabe, kicherte, ging hinaus und ließ die Tür hinter sich offenstehen.
Den ganzen Morgen schrubbte sie ihre schmutzigen Kleider, zog jedes Stück durch das Seifenwasser und schlug es dann heftig auf die Steine, wie ihre Mutter das an den Bächen des Nordens gemacht hatte. Sogar das, was sie am Leibe trug, zog sie aus und wusch es. Dann spülte sie alles unter dem Wasserhahn und hängte es an den Käfigen zum Trocknen auf.
Als sie hineinging, kroch die Schabe an einer Wand entlang. Sie schwirrte zu dem Bettpfosten, drehte den Kopf, wenn Serroi sich bewegte und beobachtete mit ihren Insektenaugen, wie sie die Zelle schrubbte. Sie sah zu, wie sie Wände und Decken putzte, das Bett neu bezog und Decken auf ein Regal stapelte. Sah zu, wie sie sich mit ihrem Haar abmühte, es ungeschickt wusch, den Eimer mehrere Male versehentlich umstieß und das Zimmer mit Seifenwasser überflutete. Sie saß majestätisch auf ihrem Bettpfosten, als Serroi die Bürste nahm, um das Wasser aus der Tür zu schrubben.
Während sie wartete, daß ihre Kleider trockneten, kroch die Schabe die Wand empor und schlüpfte wie ein kleiner Schaben-Nor im nachgiebigen Gestein seiner Bleibe in Ritzen und wieder heraus. Doch häufig saß sie auf dem Bettpfosten, neigte aufmerksam den dreieckigen Kopf und ließ wichtigtuerisch die Fühler zucken.
Als die Tage verstrichen, begann Serroi, sich mit der Schabe zu unterhalten. Sie erzählte ihr Geschichten, einige aus der Erinnerung an die langen Winternächte in den Vinatlederzelten in der Tundra, andere, die sie in den Rollen des Noris gelesen hatte. Die langsamen Kopfbewegungen des Tieres erweckten die Illusion eines intelligenten Zuhörers und gaukelten ihr eine echte Unterhaltung vor. Manchmal stauten sich wehmütige Erinnerungen in ihr an, und sie kauerte sich auf dem Bett zusammen. An solchen Tagen pflegte die Schabe aus ihren Spalten zu kriechen und sie mit dem Ausdruck althergebrachter Weisheit zu beobachten. Sie wußte, das war wie alles andere Illusion, nur Einbildung, doch wenn diese Augenblicke verstrichen, fühlte sie, wie tiefe Ruhe sie überkam. Sie wurde es müde, ihre Geschichten zu wiederholen, also begann sie, neue zu erfinden. Die heroischen Abenteuer eines Mädchens mit einer riesenhaften Schabe. Mit einem Mädchen, wie sie es gerne gewesen wäre, nicht dem kleinen Tier, das in der Falle saß. Sie erlebten grandiose Abenteuer in einer Welt aus Träumen und den Bildern, die sie in ihrem Zauberspiegel gesehen hatte.
Als der lange Winter seinem Ende entgegenging, fühlte sie in sich eine gewaltige Veränderung. Sie begann nach draußen zu gehen, über die Käfige zu klettern und sie nach Holz und Steinen zu durchstöbern. Irgendwie waren ihre Wunden im Laufe der langen Tage des Träumens verheilt. Die leeren Käfige jagten ihr keine Angst mehr ein. Sie war erwacht und wie die Blumen und Gräser nach jedem tödlichen Winter in der Tundra neugeboren. Sie stapelte ihre Fundstückchen auf dem Käfigdach, doch selbst ihre beste Konstruktion ließ zwischen
Weitere Kostenlose Bücher