Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
weiter, das Geschwür löst sich im Körper des Jungen, Gefahr ist behoben. Sie läßt die Hände sinken, und schon meldet sich wieder das Ziehen. Man legt ihr ein anderes Kind den Schoß, ein mageres, kränkliches Kind, das keine feste Nahrung bei sich behalten kann. Sie heilt es, weist den Körper, an, den Widerstand zu brechen, und schon wieder wird ein anderes vor sie gestellt. Sie legt ihm die Hände auf, aber der Lärm im Hof wird unerträglich. Ihr ist übel vor Erschöpfung, und das Ziehen läßt nicht nach. Dann steigert sich das Getöse noch mehr, ein Schatten breitet sich um sie aus, das Ziehen verfliegt.
Sie schaute hoch. Hern stand über sie gebeugt und schaute sie finster an. Sie sah an ihm vorbei. Die Fenekeli hatten sich zurückgezogen, der Lärm hatte sich geglättet wie ein Teich, sobald der Wind nachläßt. Hern streckte ihr die Hand entgegen. Sie ergriff sie. Sie war warm und stark und auf eine Weise
tröstlich, die sie störte, weil sie den Eindruck hatte, diesen Trost unbedingt zu brauchen. Der Gedanke, von ihm, oder überhaupt von irgend jemandem abhängig zu sein, gefiel ihr ganz und gar nicht. Mit seiner Hilfe rappelte sie sich hoch. Er war besorgt. Er fühlte, wie sie von ihm abrückte, obgleich sie nicht versuchte, sich von ihm loszumachen. Sie kannten sich in- und auswendig.
Höchst unfair,
dachte sie, er konnte jedes Muskelzucken, jede kleine Verspannung, die sie nicht einmal sehen konnte, deuten.
Unfair, unfair.
Sie entzog ihm ihre Hand und strich über ihr schmutziges Haar. »Was nun?«
»Bist du in Ordnung?«
»Müde. Und ein wenig verängstigt.«
»Willst du weiterziehen, um hier fortzukommen?« Er strich ihr ganz sanft über die Wange. Sie fühlte seine Besorgnis und seine tiefe Zuneigung und legte ihre Finger über die seinen. »Ich glaube nicht, daß es von Bedeutung ist, wo ich mich aufhalte. Die Dinge werden für eine Weile unverändert bleiben.« Sie blickte auf ihre ausgefransten Ärmel hinab. »Und wir brauchen Kleider.«
Nun lachte er, legte seinen Arm um ihre Schultern und führte sie zu dem eingeschossigen Bau hinten im Hof. »Hekatoro hat uns ein Zimmer richten und Wasser für ein Bad wärmen lassen.«
»Ein Bad, heilige Jungfrau, das entspricht jetzt genau meiner Vorstellung von Glückseligkeit.« Obgleich die Leiden der Fenekeli weiter an ihr zerrten und ein zittriges Gefühl in ihr wachhielten, verlieh ihr Hern Stärke und Kraft, sich von ihnen zu lösen. Er geleitete sie durch die schweigsamen, gaffenden Menschengruppen ins kühle Dunkel von Hekatoros Familiensitz.
Sie blieben zehn Tage auf der Hekfeste und wohnten in einem ruhigen Winkel des großen Hauses. Von ihrem Trieb gelenkt, saß Serroi unter dem alten Klöppelbaum und heilte alle, die zu ihr kamen oder die man herbeibrachte. Eine schwere und ziemlich schreckliche Zeit. Wenn sie des Morgens vor die Tür verstummte der Lärm auf dem Innenhof. Es herrschte demutsvolle, angespannte Stille, als wäre sie ein fremdartiges Tier. Man vermutete mögliche Gefahren, aber man konnte sie nicht abschätzen. Der Hekclan war im wesentlichen gesund aber es gab immer wieder Unfälle, ein gequetschter Fuß, gerichtet werden mußte, ein entzündeter Zahn, Hauterkrankungen, Augenverletzungen, Quetschungen, Verbrühung Ausschläge und tausend andere, zwar nicht lebensbedrohen aber quälende Behinderungen. Manche kam zu ihr ohne körperliche Leiden und brauchten nur jemanden, mit dem sie reden konnte.
Serroi haßte das Heilen, weil sie sich dazu zwanghaft getrieben fühlte. Es war, als hätte sich ein Fremder ihres Körpers bemächtigt und würde seine Funktionen bestimmen. Nicht das Heilen selbst, aber die fehlende Kontrolle über ihr Tun störte sie. Das brachte böse Erinnerungen zurück: wie der Nor ihren Körper benutzt hatte, um ihre Tiere in Erschöpfung und Tod zu hetzen, wie er sie für seine Bedürfnisse eingesetzt hatte, wie er seine Herrschaft in das Reich des Lebendigen ausgedehnt und sie veranlaßt hatte, Dinge zu tun, die sie krank machten, So wie sie mit Ser Noris gerungen hatte, kämpfte sie nun gegen den Heilzwang an, unter dem sie stand, denn mit Zauberei wollte sie nichts zu tun haben. Wenn sie nicht heilte, saß sie schweigend da und starrte die Wände des Zimmers an, das Hekatoro ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Nachts ging sie zu Hern und versuchte durch rasende Leidenschaft und Erschöpfung den Träumen zu entrinnen, die sie quälten.
Hern kam mit einem Tablett ins Zimmer. Serroi saß
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