Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
stumpfgrauer Kiesel zu sein, so wie ihn das Wasser zu einer abgeplatteten Eiform geglättet hatte und er sich haufenweise in jedem Bergbach finden ließ.
Ehe sie ihn herausnehmen konnte, hörte sie das Scharren von Macaiklauen. Hern tauchte neben ihr auf. »Was ist das denn für ein Ding?« Seine Stimme klang auf arrogante Weise fordernd. Sie wußte, diese Haltung war zu tief in ihm verwurzelt, als daß einfache Mahnungen genügen würden, sie zu verändern, nichtsdestotrotz reizte es sie.
»Ein Tajicho«, antwortete sie knapp. »Ein fast undurchdringlicher Schutzschild gegen Zauberei.« Sie nahm den Stein aus der Dose und schloß ihre Finger darum. Der Stein erwachte und nahm seine Energiegestalt an – die eines klaren Kristalls mit feurigem Kern. Licht strömte durch ihre Finger und ließ das Fleisch in durchschimmerndem Rot leuchten. Einen kurzen Augenblick konnte sie die Umrisse der Knochen in jedem ihrer Finger sehen. »Leb wohl, mein Noris«, flüsterte sie, als dieser erste Glanz nachließ.
Als der Tajicho leicht in ihrer Hand vibrierte, drehte sie sich zu Hern und wollte ihm die weiteren Eigenschaften dieses Schildes erklären, doch er hatte bereits sein MacaHerumgezogen und das Ding in ihrer Hand schon wieder vergessen.
Der Tajicho paßt auf sich selbst auf,
dachte sie,
und lenkt die Blicke
der Menschen von sich.
Selbst wenn sie ihn sahen, fanden sie bald dringende Gründe, sich von ihm abzuwenden. Irgendeine Belanglosigkeit wurde für sie plötzlich wichtiger als der glühende Stein, den sie vergaßen, sowie sie den Blick von ihm wendeten. Serroi bückte sich wieder und steckte den Tajicho in ihre Stiefeltasche. Einen Augenblick lang behielt sie das Döschen in der Hand und wollte es schon zum Schotter am Straßenrand werfen. Doch sie folgte einer zweiten Intuition und steckte es in den anderen Stiefel.
Hern schaute zurück. »Zwei Tage durchs Gebirge«, brüllte er ihr zu, wobei der heiße Wind seine Worte erfaßte und ihm ins Gesicht zurückschleuderte. Sie hob die Brauen. Nachdem sie sich langsam und vorsichtig wieder im Sattel zurechtgesetzt hatte, kratzte sie den Hals ihres protestierenden Reittiers und lächelte ein letztes Mal dem Tal zu, auch wenn sie nicht mehr als ein verschwommenes Strahlen erkennen konnte. Als sie der Meinung war, nun genügend Zeit vertan zu haben, ihren Standpunkt zu demonstrieren, lenkte sie das MacaHerum. In schnellem Galopp preschte sie an dem vor Wut kochenden Mann vorbei und genoß die Gewißheit, daß Fontänen roten Staubs und Steinchen auf ihn niederprasselten, als sie den steilen Hang emporritt. Ein Funken Boshaftigkeit blitzte in ihren Augen, als sie das Grunzen von Herns Reittier hörte, dann schloß er auf und ritt neben ihr, wofür nun genügend Platz war, auch wenn die Straße kaum mehr als einem holprigen Trampelpfad gleichkam, der sich durchs Gebirge wand. Solange der Steigungsgrad anhielt, sprach keiner von beiden ein Wort, doch Serroi spürte, wie sie in wachsendem Maß seine körperliche Präsenz wahrnahm. Das ungewollt in ihr aufsteigende Verlangen rief plötzlich sehr lebhafte Erinnerungen an die Flucht aus dem Plaz im vergangenen Jahr wach. Sie mußte daran denken, wie sie zusammen mit Hern durch den Geheimgang in der Mauer gelaufen und plötzlich mit ihm zusammengeprallt war, so daß sie stürzte. Sie erinnerte sich, wie er sie hochgezogen und eng an sich gedrückt hatte.
»Was ist los?«
»Da vorne ist jemand. Ein Sleykyn, glaube ich.«
»Einer?« Sie spürte, wie sein warmer Atem an ihrem Ohr vorbeistrich und an ihrem Haar zupfte. Sie fühlte das Pochen seines Herzens an ihren Brüsten. Sein Atem kam stockend, ihr Denken geriet durcheinander.
»la.« Sie zitterte auf eine Weise, die mit der lauernden und der überwundenen Gefahr wenig zu tun hatte. Er lachte. Rasche Luftstöße streichelten ihre Wange.
Er
packte ihr Kinn, hob ihren Kopf zu sich hoch und küßte sie langsam und sinnlich, bis sie in seine Arme sackte.
Die Straße ebnete sich ein wenig, als sie den Bergkamm erreichten. Der Nachmittag war weitgehend verstrichen, der Himmel hinter ihnen wurde dunkler und der unnatürliche Kupferschimmer auffälliger als zuvor. Serroi wischte sich Schweiß von der Stirn und die Hände daraufhin an der Bluse ab. Ihre Fingerspitze strich über ihre Unterlippe, als sie Hern nachdenklich und mit einem Stirnrunzeln betrachtete. »Es ist bald dunkel.«
Er hielt den Blick auf sie gerichtet, doch in Gedanken war er offensichtlich nicht bei der Sache.
Weitere Kostenlose Bücher