Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
Sie bemerkte, daß er zwar den Klang ihrer Stimme vernahm, nicht aber den Inhalt des Gesagten aufnahm.
»Etwa zwei Reitstunden von hier zweigt ein Weg von der Straße ab. Er führt nach Osten, in unsere Richtung. In der Nähe der Biegung befindet sich ein Brunnen und eine Wiese. Dort können wir lagern und am frühen Morgen zum Grauknochentor aufbrechen.«
»Nein.«
»Was heißt hier nein?«
»Wir verbringen die Nacht in Sadnaji.« Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln der Vorfreude. »In Braddons Gasthof.« Erst wollte sie ihm widersprechen, ihm sagen, was für ein Narr er war, den Fuß in die Ebene setzen zu wollen. Er wußte ebensogut wie sie, daß Meien in Mijloc nicht mehr gern gesehen waren. Schon der geringste Verdacht bezüglich seiner Person konnte mächtige Kräfte gegen sie aufbringen und die Mission scheitern lassen, noch ehe sie richtig begonnen hatte. Sie griff nach ihrem Jagdmesser und fuhr mit den Fingerspitzen an dem hölzernen Griff entlang, den sie sorgfältig für ihre Hand geschnitzt hatte, bezog Trost aus dem vertrauten Gefühl, dem seidenweichen Holz, das ihre Hände gefettet hatten, bis zwischen ihm und ihr ein so enges Band bestand wie zwischen Mutter und Kind. Sie ließ die Hand am Waffengürtel entlanggleiten, strich über die Schlingen des dünnen, grauen Seils aus Seespinnenseide, dünner gedreht als ihr kleiner Finger und stark genug, jedes tobende Macai zu fesseln. Sie faßte nach den kleinen Taschen in ihrem Gürtel und dem abgegriffenen, angenehmen Leder, das auf ihren Hüften lag, als sie sich fragte, ob mit Hern eine Partnerschaft überhaupt möglich wäre. Sie war nicht bereit, ihm die Verantwortung zu übertragen, weder für sich noch für die Mission. Sie schaute ihn mit zusammengepreßten Lippen an und sah, daß er wieder ruhig war und kein Anzeichen des Zorns erkennen ließ, der ihn zuvor angestachelt hatte. Er
hat nicht die geringste Ahnung, was für ein Mistkerl er sein kann. Sadnaji? Wahnsinn! Sie seufzte. Er ist nicht dumm, sagte sie sich, er kokettiert nur mit seinem Mut und seinem Drang
zu
herrschen. Ruhig Blut, das ist vonnöten.
»Selbst wenn wir früh aufbrächen, würde es sehr spät, vermutlich nach Mitternacht, ehe wir dort angelangten. «
Er zuckte mit den Schultern. »TheDom ist voll aufgegangen. Die Straße wird gut zu sehen sein. «
»Dom, keiner von uns beiden ist in der Ebene willkommen. « »Wie du schon sagtest, es wird dunkel. Die Stadt wird schlafen.«
»Aber im Gasthof wird es nicht dunkel sein. « Sie streckte ihm eine Hand hin, deren grüne Hautfarbe im düsteren Licht des ausklingenden Tages noch dunkler wirkte. »Mich wird man auf den ersten Blick erkennen, und du bist auch nicht der Unbekannteste. «
Er grunzte unduldsam, weil sie eine Diskussion fortsetzte, die er als abgeschlossen betrachtete. »Braddon ist ein guter Mann. Er erlebt viel in seinem Gasthof. « Ohne eine Antwort abzuwarten, lenkte er sein Macai an ihr vorüber. Sein untersetzter Körper bewegte sich überraschend graziös im Sattel. Er
ist eindeutig dicker geworden.
Der Gedanke bereitete ihr ein säuerliches Vergnügen.
Zum Teufel mit ihm, wenn ihm die Worte eines alten Kneipenwirts mehr bedeuten als alle Berichte von Frauen, auch wenn sie allesamt Meien sind.
Sie schnaubte.
Das ist doch bloß ein Vorwand.
Er
will ja nur die Zähne in Braddons Essen schlagen.
Sie lächelte unwillkürlich. Der alte Braddon war ein guter Mann, da hatte er schon recht. Braddons Gasthof war ein wohlhabendes, angenehmes Haus mit einem Ruf für köstliches Essen und erlesene Weine, der offensichtlich bis nach Oras gedrungen war. Und außerdem zählte er zu ihren Freunden. Die Aglim verurteilten alle Freuden des Fleisches, aber Braddon war gewiß sicher vor ihnen, er hatte zu viele Freunde. Sie zog die Nase hinter dem breiten Rücken vor ihr kraus.
Ich würde meinen rechten Arm wetten, daß ihm schon das Wasser im Munde zusammenläuft.
Sie erwog, ob sie ihn allein in die Ebene ziehen und fangen lassen sollte, um die Mission alleine fortzusetzen. Alleine. Sie schloß die Augen. Alleine. Nein. Vielleicht konnte sie später, wenn sich ihre Temperamente wirklich als unvereinbar erwiesen, einen anderen Begleiter finden. Im Augenblick erweckte der Gedanken, ihn zurückzulassen, ein Gefühl von Kälte und Leere in ihr. Seine starke Sinnlichkeit verwirrte, seine Arroganz erzürnte, seine Schwachpunkte erschreckten sie, doch insgesamt stellte er damit eine Zerstreuung dar, die die Einsamkeit
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