Duell der Zauberer
wählen, aber sie scheinen von geraden Linien fasziniert zu sein, nur daß es nicht immer der einfachste Weg ist. Ich frage mich, warum sie wohl so sind.« Die Tatsache, daß Ce’Nedra selbst aus Tolnedra stammte, schien noch nicht in sein Bewußtsein gedrungen zu sein.
»Ihr seid also über die Große Nordstraße gekommen?« fragte sie.
»Ja bis wir an eine Stelle kamen, die Aldurfurt heißt. Komischer Name, nicht wahr? Obwohl, wenn man darüber nachdenkt, ergibt es schon einen Sinn. Aber das war, nachdem wir aus den Bergen heraus waren, wo die Murgos uns angegriffen haben. So einen Kampf habt Ihr noch nie gesehen.«
»Murgos?« fragte Ce’Nedra scharf, in dem Versuch, seine wandernden Gedanken an diesem Punkt festzuhalten.
Er nickte eifrig. »Der Mann, der die Aufsicht über die Wagen hatte ein großer Kerl aus Murgos, glaube ich, hat er nicht gesagt, er wäre aus Murgos, Rundorig? Vielleicht war es auch Camaar irgendwie verwechsle ich die beiden immer. Wo war ich?«
»Bei den Murgos«, half Durnik.
»Ach ja. Jedenfalls, der Mann sagte, daß vor dem Krieg viele Murgos in Sendarien waren. Sie gaben sich als Kaufleute aus, aber in Wirklichkeit waren es Spione. Als der Krieg anfing, gingen sie alle in die Berge, und jetzt kommen sie aus dem Wald und versuchen, unsere Wagen in den Hinterhalt zu locken – aber wir haben auf sie gewartet, was, Rundorig? Rundorig hat einem der Murgos einen Stock über den Schädel gezogen, als er an unserem Wagen vorbeiritt und ihn glatt aus dem Sattel geworfen. Zack! Einfach so! Glatt vom Pferd geworfen. Der hat sich bestimmt gewundert.« Doroon lachte kurz auf, dann eilte seine Zunge weiter und beschrieb holterdipolter ihre Reise in allen Einzelheiten.
Prinzessin Ce’Nedra war eigenartig berührt, Garions alte Freunde kennenzulernen. Aber darüber hinaus fühlte sie die schwere Last der Verantwortung, als sie erkannte, daß sie mit ihrem Feldzug in fast jedes Leben im Westen eingegriffen hatte. Sie hatte Männer von ihren Frauen getrennt, Väter von ihren Kindern, sie hatte einfache Männer, die noch nie weiter als bis ins Nachbardorf gekommen waren, Tausende von Meilen weit marschieren lassen, um in einem Krieg zu kämpfen, den sie vermutlich überhaupt nicht begriffen.
Am nächsten Morgen ritten die Armeeoberen die wenigen restlichen Meilen bis zu den Anlagen am Fuß der Klippe. Als sie auf einen Hügel kamen, riß Ce’Nedra Nobel am Zügel und starrte mit offenem Mund das Ostkliff an, das sie zum erstenmal sah. Das war unmöglich! So etwas Gigantisches konnte es doch nicht geben! Das große schwarze Kliff türmte sich über ihnen auf wie eine riesige, erstarrte Welle aus Stein, die so für alle Zeiten die Grenze zwischen Ost und West bildete und anscheinend jede Möglichkeit verwehrte, diese Grenze zu überschreiten. Die Klippe stand dort als Symbol für die Teilung der Welt – eine Teilung, die ebensowenig überwunden werden konnte wie diese Mauer aus Fels.
Als sie näherkamen, bemerkte Ce’Nedra geschäftiges Treiben sowohl am Fuß der Klippe als auch an ihrer oberen Kante. Dicke Taue hingen von oben herab, und am Fuß des Steilhangs sah Ce’Nedra kunstvoll miteinander verflochtene Flaschenzüge.
»Warum sind die Flaschenzüge hier unten?« fragte König Anheg skeptisch.
König Rhodar zuckte die Achseln. »Woher soll ich das wissen? Ich bin kein Techniker.«
»Na schön, wenn du es so siehst, dann lasse ich nicht zu, daß deine Leute auch nur ein einziges meiner Schiffe anrühren, ehe mir nicht jemand erklärt hat, weshalb die Flaschenzüge hier unten angebracht sind statt oben.«
König Rhodar seufzte und winkte einen der Techniker heran, der dabei war, sorgfältig einen Flaschenzug zu ölen. »Hast du eine Skizze von den Zügen bei der Hand?« fragte der dicke Monarch den fettverschmierten Arbeiter.
Der Techniker nickte und zog ein zusammengerolltes, schmutziges Pergament aus seiner Tunika hervor und reichte es seinem König. Rhodar warf einen Blick darauf und gab es an Anheg weiter.
Anheg starrte auf die komplizierte Zeichnung und bemühte sich, herauszufinden, welche Linien wohin führten, und vor allem, warum sie dorthin führten. »Das kann ich nicht lesen«, beschwerte er sich.
»Ich auch nicht«, sagte Rhodar vergnügt, »aber du solltest doch wissen, weshalb die Flaschenzüge hier unten sind und nicht oben. Die Zeichnung sagt dir, warum.«
»Aber ich kann sie nicht lesen.«
»Das ist nicht meine Schuld.«
Nicht weit von ihnen ertönte
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