Duell der Zauberer
Frauen erwartet man nicht, daß sie die zu beachtenden Feinheiten kennen, wenn man Priester und Adelige verhaften will die Notwendigkeit von Beweisen und so weiter –, so daß das, was bei mir eine grobe Verletzung des Anstands gewesen wäre, bei ihr als Unwissenheit belächelt wird. Ich muß mich natürlich bei Grodeg entschuldigen, aber geschehen ist geschehen. Der Kult wird hier sein, und sie haben keinen vernünftigen Grund, nach Hause zurückzukehren.«
Rhodars Grinsen war genauso boshaft wie Anhegs. »Wie hat Grodeg es aufgenommen?«
»Er muß aschgrau vor Wut gewesen sein. Islena hat ihn wohl persönlich abgekanzelt. Sie hat ihm die Wahl gelassen zwischen Armee und dem Kerker.«
»Man kann den Hohepriester von Belar doch nicht einkerkern!« rief Rhodar.
»Islena weiß das nicht, und Grodeg wußte, daß sie es nicht weiß. Sie hätte ihn im tiefsten Loch, das sie finden konnte, an die Wand ketten lassen, ehe jemand ihr hätte sagen können, daß das ungesetzlich ist. Kannst du dir vorstellen, wie meine Islena dem alten Windbeutel ein solches Ultimatum stellt?« In Anhegs Stimme klang glühender Stolz an.
König Rhodars Gesicht nahm einen verschlagenen Ausdruck an. »Früher oder später gibt es auf diesem Feldzug doch bestimmt hitzige Gefechte«, überlegte er.
Anheg nickte.
»Der Bärenkult ist doch stets stolz auf seine kämpferische Ausbildung gewesen, nicht wahr?«
Anheg nickte grinsend.
»Ich stelle mir vor, daß sie schwere Verluste davontragen werden«, sagte der König von Drasnien.
»Aber es ist schließlich für eine gute Sache«, erwiderte Anheg.
»Falls ihr zwei fertig seid mit euren Späßen, bringe ich die Prinzessin jetzt aus der Sonne«, erklärte Polgara den beiden grinsenden Monarchen.
Die Befestigungen auf dem Kliff summten in den nächsten Tagen vor Geschäftigkeit. Auch als das letzte Schiff der Flotte von Cherek hochgezogen wurde, schwärmten die Algarier und Mimbrater noch aus, um weitere Verwüstungen im Land der Thulls anzurichten. »Im Umkreis von hundertfünfzig Meilen steht kein Korn mehr auf den Feldern«, berichtete Hettar. »Wir müssen weiter hinausreiten, wenn wir noch etwas Brauchbares finden wollen.«
»Hast du viele Murgos gefunden?« fragte Barak den habichtgesichtigen Mann.
»Ein paar.« Hettar zuckte die Achseln. »Nicht genug, als daß es interessant gewesen wäre, aber hin und wieder sind wir auf einige gestoßen.«
»Was macht Mandorallen?«
»Ich habe ihn seit einigen Tagen nicht mehr gesehen«, antwortete Hettar. »Aber aus der Richtung, in die er geritten ist, kommt viel Rauch, also nehme ich an, er ist beschäftigt.«
»Wie sieht es da draußen eigentlich aus?« fragte König Anheg.
»Nicht übel, wenn man einmal die Hochebene hinter sich hat. Das thullische Gebiet hier an der Klippe ist ziemlich gefährlich.«
»Was meinst du mit gefährlich? Ich muß meine Schiffe durch dieses Land schleppen.«
»Felsen, Sand, ein paar Dornbüsche – aber kein Wasser«, erwiderte Hettar. »Und es ist heißer als in einem Backofen.«
»Danke«, sagte Anheg.
»Du wolltest es doch wissen«, meinte Hettar. »Entschuldigt mich. Ich brauche ein frisches Pferd und neue Fackeln.«
»Ziehst du noch mal los?« fragte Barak.
»Dann bin ich wenigstens beschäftigt.«
Sobald das letzte Schiff oben war, wurden mit den drasnischen Flaschenzügen tonnenweise Lebensmittel und Ausrüstungsgegenstände nach oben gehievt, die König Fulrachs Vorratslager in der Anlage bald bis zum Bersten füllten. Die thullischen Gefangenen erwiesen sich als unschätzbare Hilfe, denn sie trugen, ohne zu zögern oder sich zu beklagen, jede Last, die man ihnen aufbürdete. Ihre grobschlächtigen Gesichter strahlten vor schlichter Dankbarkeit und einem solchen Eifer zu gefallen, daß Ce’Nedra es unmöglich fand, sie zu hassen. Ganz allmählich entdeckte Ce’Nedra, was das Leben des thullischen Volkes zu einem nie endenden Grauen machte. Es gab nicht eine Familie unter ihnen, die nicht mehrere Angehörige an die Messer der Grolims verloren hatte. Ehemänner, Frauen, Kinder und Eltern waren als Opfer ausgewählt worden, und der alles beherrschende Gedanke im Leben eine Thulls war es, um jeden Preis diesem Schicksal zu entgehen. Der unablässige Schrecken hatte die Thulls aller menschlicher Gefühle beraubt. Jeder lebte in schrecklicher Einsamkeit, ohne Liebe, ohne Freunde, ohne ein Gefühl außer ewiger Angst. Der berüchtigte unbändige Appetit thullischer Frauen hatte nicht das geringste
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