Duell der Zauberer
müssen, was er will. Und was er von mir will, ist zu schrecklich, um auch nur daran zu denken.«
»Das verstehe ich nicht ganz, Polgara.«
Garions Tante sah das kleine Mädchen ernst an. »Vielleicht nicht«, sagte sie. »Es hat mit einem Teil der Vergangenheit zu tun, den die tolnedrische Geschichtsschreibung gern ausklammert. Setz dich, Ce’Nedra, dann will ich versuchen, es dir zu erklären.«
Die Prinzessin ließ sich auf einer rohgezimmerten Bank nieder. Polgaras Stimmung war ungewöhnlich ruhig und nachdenklich. Sie legte ihre Arme um Botschaft und drückte ihn an sich, die Wange gegen seine weichen, blonden Locken gelegt, als ob die Berührung dieses Kindes ihr Trost spendete. »Es gibt zwei Prophezeiungen, Ce’Nedra«, sagte sie, »aber die Zeit naht, in der es nur noch eine geben wird. Alles, das ist oder war oder noch sein wird, wird ein Teil der Prophezeiung, die den Sieg davon trägt. Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind hat zwei mögliche Schicksale. Für manche wird der Unterschied nicht sehr groß sein, aber in meinem Fall ist er gewaltig.«
»Das verstehe ich nicht.«
»In der Prophezeiung, der wir dienen – diejenige, die uns hierher geführt hat bin ich Polgara die Zauberin, Tochter Belgaraths und Beschützerin Belgarions.«
»Und in der anderen?«
»In der anderen bin ich Toraks Braut.«
Ce’Nedra schnappte nach Luft.
»Und jetzt kannst du vielleicht verstehen, warum ich Angst habe«, sprach Polgara weiter. »Ich habe Angst vor Torak, seit mein Vater mir dies erklärt hat, als ich ungefähr in deinem Alter war. Ich habe nicht so sehr Angst um mich selbst, sondern mehr, weil ich weiß, daß, wenn ich versage, wenn Torak meinen Willen besiegt, dann wird die Prophezeiung, der wir dienen, untergehen. Torak wird nicht nur mich gewinnen, sondern die gesamte Menschheit. Vor Vo Mimbre hat er mich gerufen, und ich habe ganz kurz nur – den schrecklichen Drang verspürt, zu ihm zu laufen. Aber ich habe ihm getrotzt. Doch es war mein Trotz, der ihn in das Duell mit Brand getrieben hat, und nur in diesem Duell konnte die Macht des Auges gegen ihn eingesetzt werden. Mein Vater hat alles auf meine Willensstärke gesetzt. Der alte Wolf ist manchmal ein großer Spieler.«
»Aber wenn…« Ce’Nedra konnte es nicht aussprechen.
»Wenn Garion verliert?« Polgara sagte es so gelassen, daß sie diese Möglichkeit schon oft durchdacht haben mußte. »Dann wird Torak kommen, um seine Braut zu fordern, und keine Macht der Erde wird ihn daran hindern können.«
»Lieber würde ich sterben«, stieß Ce’Nedra hervor.
»Ich auch, Ce’Nedra, aber dieser Weg steht mir vielleicht nicht offen. Toraks Wille ist so viel stärker, als meiner, daß er mir die Fähigkeit oder sogar den Wunsch nehmen kann, mein Leben zu beenden. Wenn es geschehen sollte, kann es gut sein, daß ich überglücklich bin, seine Erwählte und Geliebte zu sein – aber ich glaube, daß tief im Innern ein Teil von mir aufschreien und in grenzenlosem Entsetzen jahrhundertelang weiterschreien wird, bis zum Ende aller Tage.«
Es war zu schrecklich, um darüber nachzudenken. Unfähig, sich zurückzuhalten, warf sich die Prinzessin auf die Knie, schlang ihre Arme um Polgara und Botschaft und brach in Tränen aus.
»Aber, aber, du mußt doch nicht weinen, Ce’Nedra«, sagte Polgara sanft und strich dem schluchzenden Mädchen das Haar glatt. »Garion hat die Stadt der Ewigen Nacht noch nicht erreicht, und noch schläft Torak. Wir haben noch etwas Zeit. Und wer weiß? Vielleicht gewinnen wir sogar.«
13
S obald die Flotte von Cherek oben auf der Klippe war, beschleunigten sich die Aktivitäten in der Anlage. König Rhodars Infanterieeinheiten kamen nach und nach aus dem Lager am Aldur und unternahmen die anstrengende Kletterpartie in den schmalen Schluchten des Kliffs, lange Reihen von Wagen brachten Lebensmittel und Material aus dem Hauptvorratslager zum Fuß der Klippe, wo die großen Flaschenzüge darauf warteten, alles an der meilenhohen Basaltwand hochzuziehen, und die mimbratischen und algarischen Überfallkommandos zogen vor Morgengrauen aus auf ihrer ausgedehnten Suche nach noch unzerstörten Städten und Feldern. Die Verwüstungen, die sie anrichteten, ihre kurzen, heftigen Belagerungen der nur unzureichend befestigten thullischen Städte und Dörfer und die Feuer, die sie an Felder mit reifem Korn legten, hatten die trägen Thulls endlich doch zu einem schlecht organisierten Widerstandsversuch aufgerüttelt. Aber die Thulls liefen
Weitere Kostenlose Bücher