Duell im Eis
Volkes‹, wie es sie im Großen Vaterländischen Krieg gegen die Faschisten gegeben hatte, überreichte ihr dann den Rosenstrauß, ließ die Wodkagläser heben und dann in die Hände klatschen.
Obermaat Pralenkow servierte die Suppe. Borschtsch, was sonst? Der Koch hielt sie für besser als eine kalte Gurkensuppe mit saurer Sahne, die Schesjekin so gerne aß.
Über den Tisch hinweg sahen sich Malenkow und die Berreskowa an. Sie tranken ihre Blicke wie schweren grusinischen Wein und wußten beide nicht, wie sie ein wochenlanges Nursehen überstehen würden.
Zwischen der Suppe und den Piroggen mit Pilzen sang Unterleutnant Temjun unter Handharmonikabegleitung sein erstes Lied von der endlosen Steppe seiner Heimat. Eine wirklich schöne Stimme hatte er, und die Berreskowa sagte nach dem Ende des Liedes: »Warum fahren Sie zur See, noch dazu immer unter Wasser, Aron Misjanowitsch? Das Konservatorium in Moskau würde Sie sofort aufnehmen. Sie könnten wunderbar Mozart singen oder Puccini. Aber was tun Sie? In einer Stahlröhre stehen Sie an irgendeinem Gerät und atmen künstlich erzeugten Sauerstoff. Genosse Admiral, dieser Mann gehört nicht in ein U-Boot, sondern auf eine Bühne.«
»Ich werde es mir merken, Ljuba Alexandrowna.« Schesjekin hob schnuppernd die Nase. Pralenkow brachte die Piroggen mit den Pilzen. Einen heimlichen Blick der Verständigung warf Malenkow dem gelobten Temjun zu. Pilze! Du ißt jetzt die doppelte Portion, damit du später hinauswanken kannst. Jeder muß sehen, wie unmäßig du die Pilze verschlingst. Dr. Lew Andrejewitsch Lepokin, der Bordarzt, ist informiert. Sieh ihn an, er nickt dir unmerklich zu.
Der arme Temjun erwiderte mit einem Augenzwinkern Dr. Lepokins Nicken, griff dreimal in die Schüssel, was nun wirklich übertrieben war, legte sich einen Haufen Pilze auf den Teller und begann, mit anerkennenswerter Tapferkeit zu essen.
»Das ist nun der erste Abend unter Wasser«, sagte Schesjekin und tätschelte der neben ihm sitzenden Berreskowa die Hand. »Wie fühlen Sie sich, Ljuba Alexandrowna?«
»Es ist für mich ein ungeheures Abenteuer, Genosse Schesjekin.«
»Keine Beklemmungen?«
»Nein. Warum?«
»Ich weiß nicht, unter welchem Wasserdruck wir stehen. Wie tief sind wir, Jurij Adamowitsch?«
»Genau 46 Meter«, antwortete Malenkow.
»Das muß ein gewaltiger Druck sein.«
»Wir können den Meßcomputer abfragen.«
»Nicht jetzt.« Schesjekin warf einen Blick zum Ende des Tisches, wo Unterleutnant Temjun mit seinem Pilzberg kämpfte. Wie kann ein Mensch bloß so fressen, dachte er. Und hinterher will er auch noch singen?
Malenkow war zufrieden. Er hatte den Blick des Vizeadmirals verfolgt. Temjun war entschuldigt, wenn er nach dem Essen hinausschwankte und Dr. Lepokin ihm hinterher lief.
»Haben Sie schon einmal Angst gehabt, Ljuba Alexandrowna?« fragte Schesjekin und schmatzte leise über den Pilzen. »So eine richtige Angst? Ich ja! Davon werde ich erzählen, aber zuerst wollen wir Sie hören. Was kann einer Frau wie Ihnen Angst machen? Ein U-Boot jedenfalls nicht, wie man sieht. Vielleicht ein nächtlicher Spaziergang über einen Friedhof?«
»Überhaupt nicht, Wladimir Petrowitsch.« Die Berreskowa lächelte Schesjekin herausfordernd an. Malenkow sah es mit einem Stich in der Herzgegend. »Die nie zu revidierende Meinung der Männer über uns Frauen: Nächtlicher Friedhof, einsamer Wald, Schritte hinter einem in der Dunkelheit, knackende Äste in einem schummrigen Park, unerklärbare Geräusche im Nebel – da sollen wir nach Ansicht der Männer in Panik geraten. Vielleicht war das früher so, ich weiß es nicht, ich gehöre einer neuen Generation an. Andere Dinge machen uns Angst.«
»Nennen Sie uns ein paar, Ljuba Alexandrowna.«
»Die Politiker, die Möglichkeit eines neuen Krieges, das Weltall als Schlachtfeld, die Meerestiefe als Festung und die Umfunktionierung eines ländergroßen Eisberges zur Kampfstation.«
»Bumm! Ein Volltreffer!« Schesjekin hob sein Wodkaglas. »Sag' ich's doch: Die Genossin ist eine mutige Frau. So etwas in die Ohren des KGB, und zehn Jahre Arbeitslager in Karaganda oder Norilsk wären Ihnen sicher! Aber wir sind unter uns, nehmen wir es hin als einen Witz.« Der Vizeadmiral setzte sein Glas ab. »Warum machen Sie überhaupt mit, Ljuba Alexandrowna?«
»Ich bin eine brave Russin.«
»Was heißt das?«
»Ich habe einen Befehl bekommen, und ich führe ihn aus. Wer fragt nach der eigenen Meinung? Wozu auch? Alles nutzt dem
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