Duell im Eis
Witze, du Ferkel?«
»Haben Sie schon andere von mir gehört, Genosse Kapitän?«
Malenkow mußte Temjun recht geben. Unmöglich war es, die Berreskowa damit zu traktieren.
»Gut also, du singst und spielst«, sagte Malenkow streng. »Und wenn der Genosse Admiral dich zu einem Witz auffordert, dann bekommst du einen Hustenreiz und rennst hinaus!«
»So wird's gemacht, Genosse Malenkow.« Temjun atmete sichtbar auf. »Sterbenselend werde ich mich auf meine Matte legen. Was werden wir heute abend essen?«
»Piroggen mit gesäuerten Pilzen.«
»Wie das paßt!« Temjun rieb sich die Hände. »Pilze kann ich nicht vertragen.«
Ein U-Boot, gehört es auch zur größten bekannten Klasse mit Ausmaßen, die man früher nicht für möglich hielt, ist immer noch eine stählerne Röhre mit einer drangvollen Enge. Was hier an Instrumenten, Röhren, Aggregaten und geballter Technik eingebaut wurde und für den Lebensraum von Menschen nur eine lächerliche Winzigkeit übrig läßt, dazu noch durch wasserdichte Schotten abgeteilt, kann nur der begreifen, der ein U-Boot nicht nur auf einer Ausstellung besichtigt hat, sondern mit ihm schon unter Wasser gefahren ist. Nicht für eine Demonstrationsstunde, sondern für Tage oder Wochen, über sich Wasser, unter sich die weite Tiefe, nur Kunstlicht, nur eingepumpter Sauerstoff zum Atmen, abhängig von Maschinen, Automaten und Computern, aus der Welt versenkt … Nerven braucht das und einen unerschütterlichen Glauben an eine funktionierende Technik. Und ein Vorbild muß an Bord sein, auf das jeder blicken kann und wo er sich im Zweifelsfall neue Kraft holt: der Kommandant, der ›Alte‹, in diesem Fall Kapitän Malenkow.
Unmöglich war es deshalb, daß Jurij Adamowitsch nachts heimlich zu Ljuba Alexandrowna schlich, um ihren Hunger – wie sie es in ihrem Roman nannte – zu stillen. In einem U-Boot sehen 100 Augen alles, was sich in ihm bewegt, also auch ein Herumschleichen des Kommandanten. Bestand früher die Crew eines U-Bootes aus zwei, drei Dutzend Männern, so hatte Malenkow auf seiner ›Gorki‹ 156 Mann an Bord, die Berreskowa, Vizeadmiral Schesjekin und Ingenieur Karasow nicht mitgerechnet. Zudem schlief Ljuba in einer Koje direkt neben dem Vizeadmiral und dem Obermaat Nikolai Fedorowitsch Pralenkow, dessen Dienst daraus bestand, so etwas wie der Oberkellner der Offiziersmesse zu sein. Wo die Berreskowa war, fand man unter Garantie auch Pralenkow in ihrer Nähe, um ihr den kleinsten Wunsch zu erfüllen.
Keine Möglichkeit für Malenkow, auch nur ihre Hand zu streicheln, einen Kuß loszuwerden oder gar ihre betörend runden und festen Brüste zu drücken. An Weiteres war überhaupt nicht zu denken, schon wegen der Moral an Bord. Undenkbar, wenn es heißen würde: »Seht an, Brüderchen. Der Kommandant übt bei der Genossin Torpedoschießen. Und wir? Ins Essen mischt uns der Koch so 'n Zeug, das uns unten schlafen läßt. Wer hätte das von Malenkow gedacht?«
Eine Frau an Bord ist wie eine Zeitbombe.
Was blieb übrig, als sich mit Blicken zu sättigen. Jurij und Ljuba sahen sich, wo immer sie sich auf dem U-Boot trafen, mit großen, sehnsuchtsvollen Augen an, genossen in Gedanken ihren Hunger aufeinander, und das über Wochen hinweg, unter Wasser, nur viermal auftauchend, um von den Versorgungsschiffen Proviant, Reparaturteile und Frischwasser zu übernehmen und für ein paar Stunden die wirkliche, die frische Luft des Meeres tief einzuatmen.
Am ersten Abend unter Wasser galt es, Vizeadmiral Schesjekins lustigen Abend zu gestalten, zu Ehren der Genossin Berreskowa, der mutigen Frau innerhalb eines bisher nie durchgeführten Projektes mit Namen ›Morgenröte‹. Die Offiziersmesse wurde mit Fähnchen und Girlanden geschmückt, die man immer wegen der Oktoberfeier an Bord hatte. Schesjekin hatte heimlich einen großen Strauß Rosen mitgebracht, was Malenkow maßlos ärgerte, weil ihm diese Idee nicht gekommen war und er nun mit leeren Händen dastand, und aus der Küche duftete es geradezu verführerisch nach gebratenem Fleisch und Gebäck. Auch die Mannschaft bekam etwas Besonderes, nicht einen Braten, aber immerhin handtellergroße Hackfleischballen, dazu gesäuerte Bohnen und rotschalige Pellkartoffeln. In den kommenden Wochen würde sich das ändern, das wußte jeder.
Vizeadmiral Schesjekin war es, der den ersten Toast auf die Berreskowa ausbrachte. Er sprach von der mutigsten Frau der Sowjetunion, die sich einreihen würde in die ›Heldinnen des sowjetischen
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