Duell im Eis
er das alles sah und erkannte, regte sich kein Mitleid in ihm, sondern eine kalte Wut. Mit einem Schwung warf er Ljuba in das Schwimmbecken, und als das Wasser aufspritzte und sie wieder auftauchte und das Wasser unter sich wegtrat, sagte er: »Und nun schwimm, mein goldenes Fischlein, schwimm in die weite Welt. Aber wohin du auch schwimmst, ich hole dich aus dem Wasser, ich werde dich immer fangen mit meiner Angel. Das siehst du doch ein, mein Fischlein?« Er wandte sich ab, ging zur Tür, schloß sie auf, verließ das Schwimmbad und nahm das Schild ab.
Mit geschlossenen Augen stieg Ljuba an der Badeleiter aus dem Becken, nahm Malenkows Saunatuch vom Boden und wickelte sich darin ein. Sie setzte sich auf eine Bank, drückte wieder die Lider zu und lehnte den Kopf, nach hinten geworfen, gegen die Wand.
Ich töte ihn, sagte in ihr eine harte, haßerfüllte Stimme. Ich töte ihn stückweise, wie es die Tataren getan haben. Ich töte ihn, ich habe Zeit genug, es einmal zu tun. Ich kann warten, die Zeit läuft mir nicht davon. Und wenn ich fünfzig Jahre warten muß, ich werde ihn töten, irgendwann.
An einem klaren, sonnigen Morgen machte sich ein weißes Gebilde, das wie ein U-Boot aussah, auf den Weg zur ›Morgenröte‹.
Vizeadmiral Schesjekin hatte Malenkow die Hand gedrückt und ihn schon im Vorgriff einen Helden der Sowjetunion genannt. Ein Trompeter blies auf der ›Nadeshna‹ einen feierlichen Abschied, auf allen Schiffen waren Offiziere und Mannschaften in Paradeuniform angetreten und grüßten, als die ›Gorki‹ an ihnen vorbeiglitt. An der Schanze auf dem Turm seines Bootes stand Malenkow zusammen mit seinen Offizieren und grüßte zurück.
»Wie ein Begräbnis ist es«, sagte Oberleutnant Nurian gepreßt. »Der letzte Gruß. Genosse Kapitän, sehen wir sie wieder?«
»Angst?« Malenkow schielte zu seinem Navigationsoffizier hin.
»Nachdenklichkeit.«
»Wenn was passiert, ist es deine Schuld, Nurian. Wir verlassen uns auf deine Navigationskünste.«
»Mir wäre eine Unterwasserfahrt jetzt lieber als dieses Eisschollengeschiebe.«
»Noch ein paar Meter Parade, dann auf Tauchstation.«
»Sehrohrtiefe?«
»Soll ich mir meine Augen von den Eisschollen knicken lassen? Wir gehen auf 30 Meter, Nurian. Ein Slalomlaufen wird das, um die Unterwassersockel der Eisberge herum.«
»Radar, Sonar, Scheinwerfer, alles in bester Verfassung, Genosse Kapitän.« Nurian kletterte die breite Leiter nach unten in den Kommandoraum.
Die ›Gorki‹ passierte jetzt das letzte U-Boot der Flottille. Malenkow hob wieder die Hand zum Mützenschirm. Noch einmal blickte er zurück zu der ›Nadeshna‹ und fragte sich, ob irgendwo auf ihr die Berreskowa stand und ihm nachsah. Getroffen hatte er sie seit der Demütigung im Schwimmbad nicht mehr. Sie ließ sich entschuldigen, Obermaat Pralenkow brachte ihr das Essen und berichtete, daß Ljuba Alexandrowna immer, wenn er in die Kabine kam, auf ihrem Bett lag und immer nur eine Platte spielen ließ, den Säbeltanz von Katschaturian. Ein mitreißendes Stück mit einem wilden Rhythmus: Man sah in dieser Musik die Säbel fliegen, hörte die Schreie der Reiter und das Geklirr des Stahls. Wer aber so haßte wie die Berreskowa, sah auch das Blitzen der Klingen und das Wegrollen des abgeschlagenen Kopfes in den sandigen Boden. Malenkows Kopf … O Himmel, welch eine göttlich-teuflische Musik … Schließ die Augen, Ljuba Alexandrowna, und sieh in deinem Inneren, wie Malenkows Kopf in weitem Bogen von seinen Schultern fliegt …
»Was ist los mit euch?« hatte Karasow einmal gefragt.
»Nichts«, hatte Malenkow geantwortet.
»Ljuba ist nicht krank, wie sie behauptet. Dr. Lepokin soll nicht zu ihr kommen, sie will ihn nicht sehen, aber dann steht sie plötzlich an Deck und starrt in das Wasser oder in die Weite. Ich habe sie angesprochen – sie hat sich abgewandt und ist wortlos weggegangen.«
»Frauen sind manchmal hysterisch, Gregorij Semjonowitsch.« Malenkow hatte abgewinkt. »Erst sechs Wochen unter Wasser, dann diese trostlose Insel, rundherum nur Eisschollen und totale Einsamkeit über Hunderte von Kilometern, dazu das Wissen: Hier mußt du jetzt bleiben, auf unbestimmte Zeit – da kann eine Frau schon durchdrehen.«
»Sie kommt mir weniger hysterisch als schwermütig vor.«
»Ljuba und schwermütig? Laß mich lachen, Karasow! Sie kennt dieses Wort gar nicht, in ihrem Sprachschatz existiert es nicht. Du wirst sehen, in ein paar Tagen ist alles vorbei.«
»Oder sie hat
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