Duell im Eis
ein kleiner, drahtiger Mann mit eckigem Kinn und breiten Schultern, genau so, wie man sie in US-Filmen als Menschenschleifer sieht, nur etwas höflicher und nicht so herumbrüllend, tippte mit der Hand auf die Fellkleidung. »Aber erst muß die Basis gebaut werden.«
»Wir haben bestens isolierte Fertighäuser.«
»Auch die müssen erst aufgebaut werden.«
»In drei Tagen stehen sie. Bis dahin – auch die Zelte sind isoliert und geheizt. Wir haben Licht- und Heizungsaggregate mit. Wir werden kaum mit Ihren simulierten 60 Grad minus in Berührung kommen. Überhaupt, dort, wo wir arbeiten werden, ist es nie so kalt! Höchstens minus 30 Grad.«
»Das genügt auch, Sir, um sich was abzufrieren«, sagte der Offizier, ein Major, trocken. Er hieß Hackman, ein Name, der, wie Eingeweihte wissen wollten, wie kein anderer zu ihm paßte. Er war in der Lage, im Überlebenstraining einen Menschen zu zerhacken, bildlich gesprochen. »Außerdem arbeiten gerade Sie nicht nur im warmen Häuschen, sondern sind draußen auf dem Eis.« Und dann, ernster: »Sie kennen doch die Antarktis, Sir. Sie haben doch schon zweimal neun Wochen auf einem Forschungsschiff gearbeitet.«
»Erinnern Sie mich nicht daran!« Dr. Smith stieg zögernd in die dicke Fellkombination. »Ich bin Nuklearwissenschaftler, aber kein Polarforscher.«
»Und warum machen Sie dann mit?«
»Weil man mich darum gebeten hat. Es ist eine nationale Aufgabe.«
»Dann bitte ich, Sir«, sagte Hackman steif, »auch die Kühlkammer als eine nationale Aufgabe anzusehen …«
Eines Abends erschien Henderson wieder im Lager und besuchte Virginia. Sie saß in ihrem Zimmer an einem großen Tisch, der mit Karten und Tabellen übersät war.
»Es geht los!« rief Henderson schon an der Tür statt einer formellen Begrüßung. »In zwei Tagen fliegen wir nach Pearl Harbor.« Er kam näher, umarmte Virginia und gab ihr einen Kuß auf die Stirn. Einfach so, als sei das selbstverständlich. Virginia starrte ihn entgeistert an. »Was studieren Sie denn da?« Dabei zeigte er auf den Tisch.
»Sie haben mich eben geküßt, Ric!«
»Nein.«
»Aber doch!«
»Ach so!« Er lachte wieder entwaffnend. »Auf die Stirn! Wenn ich richtig küsse, ist das anders.«
»Verzeihen Sie, Ric, aber solche Abstufungen sind mir neu.« Sie drehte sich um und nickte zu dem Tisch hinüber. »Ich studiere die Gegend, in der wir leben werden. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich durch unsere Manipulationen mit Laser, und was man noch plant, die Fischpopulationen unter dem Eis entwickeln.«
»Sie wollen das Liebesleben der Fische unter dem Eis beobachten?« Henderson sah Virginia irritiert an. »Na so was …«
»Was Sie meinen, Ric, ist Kopulation. Ich spreche von Population!« Ihre Stimme war kühl. »Population ist der Bestand einer Art.«
»Ich bin kein Lateiner, Virginia.« Henderson hob die Schultern. Es war seine Art, Bedauern und Entschuldigung gleichzeitig auszudrücken. »Fangen Sie schon mit dem Packen an.«
»Es bleibt also bei dem Plan?«
»Nicht ganz.« Henderson setzte sich auf das Bett und betrachtete Virginia wie ein Maler sein Aktmodell. Sie kam sich plötzlich wie entblößt vor und wußte nicht, wie sie sich nun benehmen sollte. Lesters Blicke waren nie so angreifend gewesen. »Natürlich wurde geändert. Wozu haben wir Strategen im Pentagon? Sie müssen doch ihre Existenz beweisen und etwas vorzeigen. Und ein solches Projekt, da arbeiten ganze Stäbe dran! Die Lage ist nun so: Von Pearl Harbor geht es weiter per Flug zu den Cook-Inseln. Dort, in Rarotonga, tanken wir auf und fliegen weiter zum Maria-Theresia-Reef, wo uns der Flugzeugträger ›Lincoln‹ erwartet. Mit ihm fahren wir zur Antarktis, hinein ins Ross-Meer, dringen so weit als möglich in den McMurdo-Sund ein und werfen dort Anker. Damit sind wir nahe genug an ›Big Johnny‹ und an unsere Südpolstation McMurdo herangekommen. Wir können sowohl von der ›Lincoln‹ wie von McMurdo aus operieren. Die Forschungsstation soll dabei zum Hauptlager werden.« Hendersons Fröhlichkeit war nicht gespielt, sie war echt. »Virginia, Sie sollten mal dieses McMurdo sehen! Zwischen dem noch tätigen Vulkan Mount Erebus und dem gewaltigen Byrd-Gletscher, der vom Transantarktischen Gebirge herunterkommt, hat man da eine richtige Stadt gebaut, mit großen, festen, sechsstöckigen Häusern, mit Riesengeneratoren, die für Strom sorgen, mit einer Mainstreet, an der eine Bar und ein Kino liegen, ein Laden und ein
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