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Duell im Eis

Duell im Eis

Titel: Duell im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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meinem Gehalt wäre es ein Seiltanz ohne Netz, eine Familie zu gründen.«
    »Und warum werden Sie nicht befördert?«
    »Das ist eine Geschichte, die ich Ihnen einmal erzähle. Nicht jetzt.«
    »Wissen Sie, daß wir im gleichen Alter sind?«
    »Alter? Wir sind herrlich jung, Virginia. Was haben wir noch vor uns! Sehen Sie General Seymore an. Der ist 60 und lebt seiner Pension entgegen. Mein Gott, bis wir 60 sind, was können wir da noch alles erleben! Was ist Ihr Lebensziel, Virginia?«
    »Ich weiß es nicht, Ric. Vielleicht werde ich einmal eine zerknitterte Professorin und lehre –«
    »Fischpopulation!«
    »– und den Sauerstoffausgleich des Planktons und die Wichtigkeit von Einzellern für das Gleichgewicht des Meeres.« Sie lachte. »Sie sehen jetzt wirklich entsetzt aus, Ric.«
    »Das bin ich auch. Ein Mann ist nicht einkalkuliert?«
    »Es müßte schon ein besonderer Mann kommen.« Wie anders ist Ric als Lester, dachte sie. Für ihn ist das Leben ein stetiges Nach-allen-Seiten-Boxen. Wenn er ein Gemälde sieht, denkt er an das Leinen, auf das es gemalt ist, und Leinwand erweckt dann bei ihm die Erinnerung an das historische Elend der irischen Flachsbauern und der oberschlesischen Weber. Für Ric ist die Welt eine sonnige Zukunft, ein Neuland, das erobert sein will, ein Abenteuer, in das man sich hineinstürzt. Genau betrachtet, ist er wie ich: Ich liebe auch alles Neue. Wäre ich sonst hier? – Liebe? Hast du eben Liebe gedacht? Du bist eine dumme Kuh, Virginia …
    »Was verstehen Sie unter ›besonderer Mann‹, Virginia?« fragte Henderson und blickte einer Skua-Raubmöwe nach, die kreischend an ihnen vorbeisegelte. In wenigen Minuten würden es Hunderte sein, angelockt von diesem Geschrei. Woher sie plötzlich kamen, sah man nicht, aber die Lockschreie der einen Möwe breiteten sich weit aus: Hier ist ein neuer Futterplatz. »Könnte ich ein besonderer Mann sein?«
    Virginia schlug den Kragen ihres pelzgefütterten Mantels hoch. Der Fahrtwind war kalt und scharf und schnitt in die Haut. Jetzt fahr die Stacheln aus, Virginia, dachte sie. Gib dir keine Blöße, nur das nicht. Schaff keine Komplikationen. »Ric, darauf gibt es doch keine Antwort!« sagte sie abweisend.
    »Wieso nicht?«
    »Wie oft haben wir uns gesehen? Wie kann ich beurteilen, was für ein Mann Sie sind?«
    »Das liegt an Ihnen, Virginia.« Henderson hob die Hand und streckte sie aus. Die Skua-Raubmöwe schoß auf ihn zu, sah, daß nichts Freßbares hingehalten wurde, und drehte mit beleidigtem Gekreisch wieder ab. »Manchmal komme ich mir vor, als sei ich nur ein Präparat unter Ihrem Mikroskop.«
    »Dann würde ich Sie ganz genau kennen, Ric.« Sie holte aus der Manteltasche einen dicken Wollschal und wickelte ihn um Kopf und Haare. »Ihre Vergleiche sind nicht gut.«
    »Ich lasse Sie kalt –«
    »Es ist kalt.« Sie blickte in den wolkenlosen blauen Himmel. »Eine Sonne, die nicht wärmt, das ist ein merkwürdiges Erlebnis.« Ihr Blick ging zu Henderson zurück. »Was weiß ich von Ihnen? Seit kurzem nur, daß Sie mit Ihrem Gehalt keine Familie ernähren können. Daß irgend etwas vorgefallen ist, was Ihre Beförderung verhindert. Daß Sie auf einem Eisberg leben werden. Daß Sie ein guter Kamerad sein werden …«
    »Danke. Das ist schon eine Menge.« Es klang ein wenig ironisch und traurig. »Aber nicht genug …«
    »Was erwarten Sie denn, Ric?« Virginia spürte plötzlich ihr Herz; es war wie eine Umklammerung, die das Atmen erschwerte.
    »Ein kleines Funkeln in Ihren Augen. Ein winziges Signal. Verdammt, ich bin kein schüchterner Junge, aber bei Ihnen ist alles anders.«
    »Soll das eine Erklärung sein, Ric?« Sie sah ihn jetzt voll an, wünschte sich, Lester aus ihren Gedanken streichen zu können und den dummen, unnützen Panzer, mit dem sie sich umgab, abzulegen. »An der Reling eines Flugzeugträgers, bei Möwengeschrei und gegen den Kiel klatschendem Treibeis?«
    »Der einzige Platz auf dieser schwimmenden Stadt, wo wir wirklich einmal allein sind. Immer ist Walker um Sie oder Seymore oder Brooks oder jede Menge anderer Männer. Virginia, ich liebe Sie …«
    »Mein Gott, war das schwer, nicht wahr?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Und nun?«
    »Es fehlt deine Antwort.«
    »Ric Henderson, du bist wirklich ein großer Junge …« Sie streckte den Kopf vor, schloß die Augen und wartete, bis sie seine Lippen spürte. Da schlang sie die Arme um seinen Nacken, erwiderte seinen Kuß, fühlte, wie ein Glücksgefühl sie mit

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