Duell im Eis
mehr auszuweichen. Auch aus dem Labor hinaus konnte sie nicht, ohne an Cobb vorbei zu müssen. »Bleiben Sie stehen, Lieutenant!« sagte sie grob.
»Diesmal lege ich mich nicht unfreiwillig vor Ihnen auf den Boden. Ich bin auf alles gefaßt.«
»Alan! Ich habe gelernt, mit der Faust ein Brett oder einen Ziegelstein zu zerteilen! Ihr Kopf ist dagegen wie eine weiche Tomate …«
»Die Kung-Fu-Lady!« Cobb lachte kurz und herausfordernd auf. »Sie brächten es nie fertig, mich auf diese Art zu töten. Habe ich recht?«
»Nein! Ich könnte es!«
»Das würde ein langes Verfahren geben, mit Staatsanwalt, Gericht, Sachverständigen. Alle Zeitungen würden darüber schreiben, die Fernsehstationen würden Sie Millionen Zuschauern ausliefern: ›Die Frau, die einem Lieutenant der Navy mit der Faust den Kopf zertrümmerte.‹ Gäbe das Schlagzeilen! Auch wenn man Sie freisprechen sollte, wären Sie erledigt.«
Cobb stand jetzt nahe vor ihr, sein heißer Atem strich über ihr Gesicht, und dieser Atem roch nach Bourbon-Whisky.
»Sie haben ja getrunken, Alan!«
»So ist es, Lady Rührmichnichtan!«
»Was wollen Sie hier?«
»Sie mögen eine hervorragende Meeresbiologin sein, aber Rätselraten ist nicht Ihre Stärke. Dabei ist die Antwort so einfach …«
»Gehen Sie, Alan! Sofort!«
»Was nennst du sofort?« Sein Gesicht verkrampfte sich. »Erst gibst du mir Revanche, mein Mädchen! Du hast Alan Cobb auf die Bretter gelegt, da gehört es zum fairen Spiel, daß ich dich auf die Bretter lege. Dein geliebter Ric steht oben auf dem Flugfeld und wartet auf die letzte Maschine aus McMurdo und friert bis auf die Knochen … Wir sind hier allein, es ist warm, und es wird uns noch viel, viel wärmer werden …« Ehe Virginia etwas entgegnen oder sich wehren konnte, schnellten seine Hände vor, faßten ihre Brüste und zerrten an ihrem Pullover. Gleichzeitig drückte er sie mit dem Gewicht seines Körpers an die Wand und stieß das Knie hoch zwischen ihre Beine. »Du herrliches Luder!« sagte er, schwer atmend. »Du bist ja gar nicht so, du hast es ja viel zu gern … Jeder Tag ist verdorben, an dem du's nicht gehabt hast … Stell dich doch nicht so an, du bist doch die fleischgewordene Geilheit …«
Er versuchte, sie zu küssen; sie spuckte ihn an und drehte den Kopf weg, und während Cobb mit seinem Knie ihren Unterleib massierte und seine Hände den Pullover hochgeschoben hatten und nun versuchten, den BH von ihren Brüsten abzureißen, rang sie mit sich, ob sie ihm die Handkante ins Genick schlagen sollte oder schlangengleich unter ihm wegtauchte und dann mit einem Fußtritt in seinen Unterleib ihn zum wimmernden Bündel werden ließ. Es blieb ihr nicht mehr viel Zeit zu überlegen; Cobb hatte den BH weggerissen und preßte aufstöhnend seine Lippen auf ihre linke Brust.
Es war ein erstaunlich dünner Laut, so, als wenn man draußen im eisigen Abend mit einer Lederpeitsche knallte. Es war ein helles Plopp, mehr nicht. Cobbs Finger ließen Virginia los, sein Knie sackte weg; als habe dieser dünne Laut seine Knochen aufgelöst, fiel er in sich zusammen, sein ungläubiger Blick suchte beim Niedersinken ihre Augen, dann rollte er ihr vor die Füße, fiel auf sein Gesicht und blieb liegen wie eine weggeworfene Puppe.
Virginias Entsetzen war so groß, daß sie nicht einmal einen Schrei ausstoßen konnte. Beide Fäuste gegen den Mund gedrückt, starrte sie auf den zusammengekrümmt hingestürzten Cobb, und erst nach langen Sekunden begriff sie, daß da ein Toter lag, daß das Plopp-Geräusch ein Schuß gewesen war und daß jemand durch das gegenüberliegende Fenster, durch das jetzt eisig die Kälte in den Raum flutete, Alan Cobb ermordet hatte. Das Fenster, das offensichtlich nicht richtig zugehakt gewesen war, hatte er aufgestoßen und dann geschossen.
Virginia zögerte einen Moment, aber dann sprang sie über den Leichnam hinweg und stürzte zum Fenster. Natürlich war nichts mehr zu sehen, auch Spuren gab es auf dem gefrorenen Boden nicht, auf diesem mit einer Spezialmaschine aufgerauhten Eis, das keinen Stiefelabdruck festhalten konnte.
Eine halbe Stunde später standen General Seymore, Vizeadmiral Warner, Commander Brooks, Lieutenant Henderson und Master-Sergeant Mulder vor dem Toten. Der Chefarzt der ›Lincoln‹, Dr. Nick Hopkins, hatte seine erste Untersuchung beendet. An der Wand, zusammengesunken, die Hände im Schoß gefaltet, saß Virginia mit versteinertem Gesicht auf einem Hocker.
»Ein sauberer Schuß!«
Weitere Kostenlose Bücher