Duell im Eis
den toten Cobb aus dem Haus, und plötzlich waren Virginia und Henderson allein im Raum, in diesem kahlen, jetzt eiskalten Zimmer, erhellt von zwei Glühbirnen, die in einer einfachen Fassung von der hölzernen Decke pendelten. Nur ein kleiner Blutfleck auf den Dielen erinnerte daran, daß vor einer Stunde hier ein Mensch erschossen worden war.
»Komm«, sagte Henderson leise und legte den Arm um Virginias Schulter. »Mach es wahr: Betrink dich und vergiß!«
»Es war furchtbar, Ric.« Sie lehnte den Kopf gegen seine Brust. »Seine Hände, sein Knie, sein verzerrtes Gesicht, wie ein gereizter Hund hat er die Zähne gebleckt, in diesem Augenblick war er wahnsinnig, war er nicht mehr Alan Cobb, sondern ein Tier in Menschengestalt, er wußte wirklich nicht mehr, was er tat … Und dann dieser Blick, als starre er entgeistert in einen Sternenhaufen, und dann hatte er plötzlich keine Knochen mehr und sank in sich zusammen, an meinem Körper entlang, und lag mir zu Füßen … Ich werde das nie vergessen können, Ric. Nie.«
»Ich muß dir etwas sagen, Virginia.«
»Daß die Zeit alles glättet?«
»Nein, sondern daß ich Cobb auch erschossen hätte, wenn ich ihn mit dir in dieser Situation angetroffen hätte. Ich habe, das weißt du, in der Boxschule an Bord verdammt hart trainiert, aber ob ich gegen Cobb eine Chance gehabt hätte? Ich glaube nicht. Er war ein zäher Bursche.«
»Du hättest Alan wirklich töten können? Meinetwegen?«
»Ja.«
»Mein Gott!« Sie legte Ric die Hand auf den Mund, und Entsetzen stand in ihren Augen. »In welcher Welt leben wir? Ist der Mensch denn gar nichts mehr wert?«
Als der Sikorski-Hubschrauber startbereit war und der tote Cobb bereits im hinteren Laderaum lag, in der frostigen Nacht steif gefroren, meldete sich der Matrose Patrick Boyd bei Commander Brooks und sagte, er habe wahnsinnige Nierenschmerzen und bitte um Verbringung zum Schiff und Einweisung ins Hospital.
Brooks zögerte. Boyd gehörte zu den schmächtigeren Burschen, die man morgen genau unter die Lupe nehmen wollte. Aber er wies ein lupenreines Alibi vor: Wegen seiner Nierenschmerzen war er im Haus II geblieben, lag den halben Tag auf einer Pritsche und wurde von dem Sanitäter Kinney betreut. Er hatte sein Lager nie verlassen, sagte Kinney aus.
Commander Brooks blieb keine Wahl. Patrick Boyd durfte zurück zur ›Lincoln‹. Als er in den Hubschrauber kletterte, krümmte er sich vor Schmerzen. Dr. Hopkins gab ihm noch während des Fluges durch die Polarnacht eine schmerzbetäubende Injektion, und Boyd schlief schnell ein, blieb aber im Kreis der Verdächtigen … Nur, was konnten Boyd oder die anderen als Grund angeben, daß sie Cobb hätten erschießen müssen?
Wer hätte überhaupt einen Grund gehabt?
Logisch gedacht, nur Lieutenant Ric Henderson; aber der hatte zu der fraglichen Stunde auf dem Eisflugplatz gestanden und auf die Hercules C-130 aus McMurdo gewartet.
Noch bevor ›Big Johnny‹ richtig bezogen wurde, war er zum Platz für einen Mörder geworden.
Auf der sowjetischen U-Boot-Basis ›Morgenröte‹ verliefen die vier Monate völlig anders.
Auch hier wurde mit dem Einsatz von Menschen und Maschinen Tag und Nacht gearbeitet, bohrten und frästen und baggerten modernste Maschinen innerhalb des überdachten Fjords riesige Höhlen in das Eis, in die man dann die isolierten Baracken baute, das Heizwerk mit den Transformatoren, die Lager und Magazine, die Werkstätten und die Stolowaja, den Versammlungsraum, auf den man nicht verzichten konnte, denn hier kam man zusammen, hörte sich Vorträge an, sah Filme, diskutierte die kleinen und größeren Sorgen und ließ sich von einem Politkommissar belehren, daß die Sowjetunion zu einem Marsch in die Sonne aufgebrochen war. Eine neue Zeit war angebrochen, die Friedenshand wurde dem kapitalistischen Westen hingestreckt, nicht, weil er die bessere Gesellschaftsform darstellte, sondern um zunächst Zeit zu gewinnen und sich hinter einem freundlichen Lächeln neu zu formieren.
Auch eine große Sauna baute man in die Eishöhlen, man schliff die Ufer des Fjords ab und schuf so richtige Piers, an denen die U-Boote über Wasser anlegen konnten, und Chefingenieur Karasow hatte seinen Plan durchgesetzt, mit einfachen Mitteln eine Trinkwassergewinnungsanlage zu installieren: Er schmolz einfach am Ende des Fjords das Eis, filterte das so gewonnene Süßwasser, reinigte es und sammelte es dann in bis auf 5 Grad Wärme temperierten Kesseln.
Ab und zu wurde auch
Weitere Kostenlose Bücher