Duell im Eis
sagte Hopkins mit dem Sarkasmus vieler Mediziner. »Von hinten genau ins Herz. Eine glatte Zwölf, würde man auf dem Schießstand sagen. Der Täter versteht es, mit seinem Revolver umzugehen. Cobb war sofort tot, schon bevor er auf die Dielen fiel. Genaueres kann ich aber erst sagen, wenn ich die Obduktion hinter mir habe. Eins ist klar, Cobb wurde hinterrücks erschossen. Und das gefällt mir gar nicht.«
»Nach Aussagen von Miß Allenby hat Cobb versucht, sie zu vergewaltigen.« General Seymore blickte ungerührt auf den Toten, über den Hopkins jetzt eine Decke zog. »Der Täter muß das durch das Fenster gesehen haben und hat sofort geschossen. Mir ist klar: Das war keine Notwehr, auch wenn er Miß Allenby dadurch vor ihrer Erniedrigung bewahrte. Es war Mord! Er hätte auch ebenso gut ins Haus stürzen können, um Cobb niederzuschlagen.«
»Vielleicht wußte er, daß er schwächer als der Lieutenant war«, warf Master-Sergeant Mulder ein. »Möglich ist das, Sir.« Der bullige Mann hob die Schultern und zog die Augenbrauen hoch. »Es hat nicht jeder Fäuste wie ein Dampfhammer.«
»So wie Sie, Benny.« Commander Brooks lächelte kurz. »Aber das könnte eine winzige Spur sein: Der Mörder ist schwächer als Cobb. Wir sollten uns mal die zarteren Jungs ansehen, die um diese Zeit hier waren. Ist jemand zur ›Lincoln‹ zurückgeflogen?«
»Nein!« Mulder schüttelte den Kopf. »Nur die Maschine aus McMurdo ist gelandet.«
»Da war der Mord schon geschehen.« Henderson atmete tief. Er sah wieder, wie Virginia mit in der Luft rudernden Armen auf das Flugfeld stürzte und sich mit einem Schrei an seine Brust warf, gerade in den Minuten, in denen die Hercules C-130 mit ihren breiten Eisgleitern zur Landung ansetzte.
General Seymore nickte mehrmals. »Da niemand den Stützpunkt verlassen hat, muß der Mörder noch hier, unter uns, sein. Das meinen Sie doch auch, Master-Sergeant?«
Der athletische Mulder nickte wie der General. »Er ist hier!« sagte er dann.
»Und wieviel sind gegenwärtig auf der Station?« fragte Vizeadmiral Warner.
»Da muß ich zuvor im Einsatzbuch nachsehen, Sir.« Brooks wiegte kurz den Kopf. »Ich schätze, es sind über 200 Männer auf ›Big Johnny‹.«
»Von denen jeder ein bombensicheres Alibi hat!« Mulder schlug seine riesigen Fäuste gegeneinander. »Wetten, daß es so ist?«
»Wetten wir nicht, handeln wir. Keiner verläßt eher den Eisberg, als bis wir den Täter haben.« General Seymore ging die paar Schritte zu Virginia und half ihr vom Hocker aufstehen, als sei sie eine schwer Erkrankte. »Das gilt natürlich nicht für Sie, Virginia. Ich nehme Sie mit zurück auf die ›Lincoln‹. Sie brauchen jetzt Ruhe nach diesem Schock.«
»Danke, General, aber ich bleibe!« Ihre Stimme klang dünn, aber bestimmt. »Ich flüchte nicht … Ich bin noch nie in meinem Leben geflüchtet oder vor unangenehmen Dingen weggelaufen.«
»Das ist keine Flucht, Miß Allenby«, sagte Dr. Hopkins, »sondern eine Therapie. Eine Kurztherapie. In zwei, drei Tagen können Sie wieder zurück auf den Eisberg. Sie haben einen Schock!«
»Er ist morgen früh vorbei, Doktor.« Virginia versuchte zu lächeln. Ihre Tapferkeit war rührend. »Ich mag keine harten, scharfen Sachen, aber heute lasse ich mir ein paar umwerfende Cocktails mischen, und morgen bin ich dann wieder in Ordnung!«
»Ich werde mich um Miß Allenby kümmern«, sagte Henderson und ärgerte sich, daß Brooks und Seymore ein leichtes Grinsen nicht unterdrückten.
»Natürlich, wer sonst?« Seymore ging zur Tür und machte dabei einen Bogen um die zugedeckte Leiche. Er blickte auf seine Armbanduhr und danach auf Warner und Brooks. »Wir werden mit den Untersuchungen morgen früh beginnen. Es kann ja niemand weglaufen. Fliegen wir noch zurück zum Schiff, Warner? Es ist verdammt dunkel draußen.«
»Sir, der Tote muß zur Obduktion ins Bordhospital, wir müssen den Vorfall ins Pentagon melden. Ich schlage vor, wir fliegen mit einer Sikorski zurück.«
»Angenommen.« General Seymore blickte noch einmal hinüber zu Virginia. »Sie wollen wirklich nicht mit, Miß Allenby?«
»Nein, General.« Sie versuchte wieder ein schwaches Lächeln. »Ich freue mich auf die Cocktails.«
»Wer mixt sie?«
»Ich, Sir!« sagte Henderson und nahm Haltung an.
»Vergiften Sie mir Virginia nicht.« Seymore hob drohend den Zeigefinger und lachte dabei. »Da haben Sie kein Alibi, Henderson …«
Vier Marinesoldaten, die draußen gewartet hatten, trugen
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