Duell im Eis
Petrowitsch.«
»Das U-Boot ›Puschkin‹ wird Sie mitnehmen.« Schesjekin legte ihr die Hand auf den Arm. »Sie werden der erste Zivilist sein, der dieses Wunderwerk sieht. Die Professoren Kratjinzew und Donkow werden frühestens in zwei Monaten nachkommen. Sie sind nicht so ungeduldig wie Sie, Ljuba Alexandrowna. Gestehen Sie es jetzt: Die Langeweile hat Ihre Nerven belastet.«
»Muß ich mich entschuldigen?« Sie sah Schesjekin mit einem strahlenden Lächeln an. Unter diesem Blick bekam auch ein Admiral eine dünne, empfindsame Haut. »Ich tue es hiermit. Wir Frauen sind launische Wesen – die Männer aber auch. Nur zeigen wir es deutlicher. Genosse Admiral, ich bitte um Verzeihung.«
Am nächsten Morgen half ihr der Kommandant des U-Bootes ›Puschkin‹ an Bord, Schesjekin winkte ihr von der Brücke der ›Nadeshna‹ zu, dann wurden die Luken geschlossen, und das Boot versank langsam im Meer.
»Wie verändert sie ist«, sagte Kapitänleutnant Braslowski, mehr kritisch als erstaunt. »Als ginge es zum Tanzen, so benimmt sie sich. Genosse Admiral, werden Sie aus dieser Frau klug?«
»Nein. Ich habe es auch gar nicht versucht.« Schesjekin starrte auf die Stelle, wo die ›Puschkin‹ getaucht war. »Was bringt es, Iwan Gregorowitsch? Eine Frau werden wir Männer nie ganz begreifen lernen. Halten wir uns an ihrer Schönheit und ihrer Zärtlichkeit fest, und ihre Launen schlucken wir hinunter wie eine bittere Medizin. Fast 30 Jahre bin ich verheiratet – kenne ich meine Frau? Man soll mich etwas weniger Gefährliches fragen.«
Um die Mittagszeit des zweiten Tages unter Wasser tauchte die ›Puschkin‹ in der weiten Bucht des Eisberges auf und fuhr langsam zum Eingang des Fjords. Ljuba stand neben dem Kommandanten im Turm und starrte ungläubig dieses unfaßbare, in der Sonne blauweiß schimmernde, riesige Gebilde aus Eis an. Die 421 Meter hohe, wild zerklüftete Wand ließ ihren Atem stocken, der Staub abbrechender Eisklötze, begleitet von einem dumpfen Grollen aus dem Inneren des Berges, war wie das Einschlagen von Granaten und ließ ein Gefühl von bedrängender Angst in ihr aufkommen. Es war ihr, als würde jeden Augenblick diese riesige Eiswand auf sie niederstürzen, auf dieses geradezu winzige U-Boot, das wie eine Fliege vor einer weißen Hausfassade wirkte. Erst jetzt begriff sie ganz die Ausmaße dieses Eisberges – ein schwimmender Gigant, doppelt so lang und breit wie Groß-Leningrad oder Groß-Moskau!
»Als ich das zum ersten Mal sah, Genossin«, sagte der Kommandant, von der Sprachlosigkeit der Berreskowa gerührt, »habe ich es auch nicht geglaubt. Aber immer neue Wunder erzeugt die Natur. Jetzt ist das Staunen vorbei; was wir im Inneren des Berges tun, muß mehr bestaunt werden. Einen solchen Eisberg hat es noch nicht gegeben, aber eine solche U-Boot-Basis auch nicht. Nachher werden Sie es sehen: Wir bauen eine Stadt in das Eis hinein!« Er zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Einfahrt in den überdeckten Fjord, auf dieses aufgerissene Maul eines Molochs. »Da ist der Eingang, Genossin. 90 Meter hoch und 103 Meter breit. Ein natürlicher, völlig unsichtbarer U-Boot-Hafen.«
Ein paar dumpfe, grollende Laute unterbrachen ihn. Erschrocken starrte Ljuba an der Eiswand empor. Kam jetzt das Knirschen, neigten sich die Eissäulen und begruben alles unter sich?
»Sprengungen.« Der Kommandant nickte ihr aufmunternd zu. »Keine Angst, Genossin. Der Berg merkt davon nichts. Graben Sie ein Loch in die Taiga – stirbt sie deshalb?«
Die Fahrt zu den aus dem Eis gesprengten und gefrästen Piers, zu den großen Höhlen, in die man die Isolierfertighäuser schob, zu den Plateaus, auf denen die Versorgungsgebäude errichtet werden sollten, die Transformatorenhalle, das Heizwerk, die Magazine und Werkstätten, ein Anblick war's, der den Herzschlag drosselte. In ihrem dicken Pelzmantel, die runde Pelzmütze tief ins Gesicht gezogen, stand Ljuba im Turm am Schanzkleid und verfolgte das Anlegemanöver des Bootes an die Eispier. Auf den verschiedenen Bauplätzen herrschte eifrige Tätigkeit, Kräne kreischten, große Tunnelfräsen fraßen sich in das Eis, Traktoren mit Stahldornenketten schafften das Material heran, Bagger mit breiten Schaufeln schütteten das herausgesprengte Eis ins Wasser.
In dem Gewimmel von Menschen glaubte sie Karasow zu erkennen, auch Oberleutnant Nurian sah sie. Der elegante, schlanke Stahlleib der ›Gorki‹ lag fest vertäut an der langen Zentralpier, einige Matrosen
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