Duell im Eis
ihr …«
»Ich?« Malenkow schüttelte den Kopf. »Gar keinen Zweck hätte das.«
»Ein Versuch nur …«
»Die Genossin Berreskowa ist ein geheimnisvoller, undurchsichtiger Mensch. Jeden Tag ist sie anders. Wer weiß, wie sie wirklich ist? Niemand weiß es. Ich habe hundert Gesichter von ihr gesehen.«
»Das ist es, Jurij Adamowitsch! Deshalb sollen Sie mit ihr sprechen. Von uns allen kennen Sie Ljuba Alexandrowna am besten.«
»Auch mich wird sie nicht anhören, Genosse Admiral.«
»Versuchen Sie es, Jurij Adamowitsch.«
Malenkow sah keine Möglichkeit mehr, dem Wunsch Schesjekins auszuweichen. Seufzend ging er zu Ljubas Kabine und klopfte an die Tür.
Von innen erklang ihre fragende Stimme: »Bist du es, Nikolai Fedorowitsch?«
»Nein, hier ist nicht Pralenkow.« Malenkow räusperte sich. »Ich bin es, Jurij …«
»Geh weg!«
»Ljuba –«
»Ich will dich nicht sprechen und schon gar nicht sehen.«
Malenkow nickte, als könne die Berreskowa das sehen. So aussichtslos es war, daß sie die Tür öffnete, er blieb dennoch stehen und sprach weiter. »Was ich getan habe, bereue ich«, sagte er. »Jedem Verbrecher wird, wenn er die Strafe verbüßt hat, verziehen. Bin ich weniger wert als ein Verbrecher? Gereizt hast du mich bis aufs Blut, Ljubaschka.«
»Wie ein Tier warst du! Ein Tier! Deine Augen werde ich nie vergessen! Der sanfte, schüchterne Malenkow, und plötzlich ist er eine Bestie!«
»Und wie soll man dich nennen? Seelen zertrittst du, Herzen reißt du in Stücke, zerhackst den Verstand, wie ein erfrischendes Bad ist für dich die Not der Gequälten. Blick in den Spiegel. Was siehst du? Das schönste, herrlichste Ungeheuer!« Malenkow hob erschrocken die Schultern, als plötzlich der Riegel der Kabine zurückgeschoben wurde.
Dann flog die Tür auf, und er sah Ljuba Alexandrowna in unter dem Deckenlicht glänzender Nacktheit, wie sie mit beiden Händen ihre vollen Brüste hob, wie sie mit gespreizten Beinen dastand und in ihrem wilden, schönen Gesicht die fast schwarzen Augen brannten, umweht von den blonden Haaren, als sie den Kopf hin und her warf. »Sieh dir das Ungeheuer an!« schrie sie. »Es hat dir gehört, dir allein! Jetzt aber würde ich dir die Haut herunterreißen, wenn du mich anfaßt!« Sie hob das Bein, gab der Tür einen Tritt, und mit einem lauten Knall schlug sie wieder ins Schloß.
Aber der Riegel wurde nicht wieder vorgeschoben, man brauchte nur die Klinke hinunterzudrücken, um hineinzukommen. Wartete sie darauf?
Malenkow zog pfeifend den Atem durch die Lippen und zuckte mit den Schultern, als bekämpfe er einen Krampf, aber dann wandte er sich ab und ging zurück zu Vizeadmiral Schesjekin.
Wladimir Petrowitsch sah an seinem Gesicht schon, wie der Versuch geendet hatte, bevor Malenkow bedauernd sagte: »Die Genossin Berreskowa will nicht mit mir sprechen. An Ihren Tisch, Genosse Admiral, wird sie zurückkehren, wenn ich wieder auf dem Eisberg bin.«
»Womit haben Sie Ljuba so unverzeihlich beleidigt, Jurij Adamowitsch?«
»Ich weiß es nicht.«
»Hatten Sie einen Streit miteinander?«
»Nein.«
»Dann sind's wirklich die Nerven. Das Warten, das Nichtstun, die Einsamkeit, das Eis. Wir sollten sie so schnell wie möglich zur ›Morgenröte‹ bringen. Wann sind die Häuser bewohnbar? Karasow meint, in drei oder vier Monaten könnte das sein.«
»Vielleicht.« Malenkow lächelte etwas verzerrt. »Sie werden die Genossin noch vier Monate ertragen müssen.«
Eine falsche Rechnung war das. Karasow, getrieben vom Ehrgeiz, das festgesetzte Soll zu unterbieten, meldete schon nach zwei Monaten: »Die Basis ›Morgenröte‹ kann nächste Woche bezogen werden. Die ersten Häuser sind aufgebaut, die Fertigstellung bis zur Funktionsfähigkeit wird noch vier Monate dauern. Es ist noch alles sehr provisorisch, kann aber bewohnt werden.«
Schesjekin nahm diese Meldung zum Anlaß, beim Mittagessen zu der Berreskowa zu sagen: »Täubchen, wenn Sie wollen, bringt ein U-Boot Sie morgen zum Eisberg.«
Nach der Rückkehr der ›Gorki‹ zu dem Eiskoloß saß Ljuba wieder in der Offiziersmesse am Tisch neben Vizeadmiral Schesjekin, so, als habe es keine neun Tage des Verkriechens gegeben. Schesjekin hütete sich, sie darauf anzusprechen; die neun Tage hatte es nie gegeben.
»Morgen?« fragte Ljuba. Sie nippte an einem Glas mit herbem Weißwein von der Krim, schnitt ein Stück Braten ab und ließ sich Zeit. »Morgen …«, sagte sie dann. »Ich bin bereit, Wladimir
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