Duell im Eis
Wölfchen, komm …
Aber Malenkow kam nicht.
Eine halbe Stunde wartete Ljuba, von Minute zu Minute steinerner werdend. Dann sprang sie plötzlich auf, riß sich das Kleid vom Leib, warf es mit zusammengepreßten Lippen an die Wand, trampelte lautlos auf ihm herum, hieb mit den Fäusten auf die Wand ein und ließ sich auf das Bett fallen, den Koffer wegtretend und sich auf den Bauch wälzend.
In diesen Minuten war sie fähig, Jurij Adamowitsch das Herz aus der Brust zu reißen.
Zum Abendessen war die Berreskowa pünktlich in der Kantine, so pünktlich, daß sie fast die erste war, die den Saal betrat. Anatol Viktorowitsch Sumkow, der Chefkoch, sah sie hereinkommen und sich suchend umsehen, rannte wie ein Wiesel um die Ausgabetheke herum und stand dann schnaufend vor ihr. »Genossin Berreskowa?« fragte er unnötig. Da es keine andere Frau im Eisberg gab und auch keine mehr kommen würde, war die Frage dümmlich. »Willkommen! Willkommen! Jetzt hat der Namen ›Morgenröte‹ wirklich einen Sinn bekommen. Ich bin Sumkow, der Koch. Nennen Sie mich Anatol Viktorowitsch.« Er sah sich nach allen Seiten um und beugte sich etwas vor. »Kann sein, daß Ihnen das Essen nicht immer gefällt«, flüsterte er, als könne man sie belauschen. »Oh, sicherlich wird es nicht gefallen. Leider habe ich meine Anweisungen, was gekocht werden darf. Aber einen Ausweg gibt es, wie immer im Leben. Sagen Sie mir Ihren Wunsch, tun Sie am Tisch so, als würden Sie ein Häppchen essen, und dann wird Timur, der zweite Koch, Ihnen alles ins Haus bringen. Soll's ein Hähnchen sein, bitte schön. Ein Kalbsbrüstchen, kein Problem. Ein saftiges Gurkengemüse mit Speck, schon gekocht.«
»Ein wahrer Freund sind Sie, Anatol Viktorowitsch.« Ljuba klopfte dem Koch auf die Schulter und lächelte ihn an. Sumkow verdrehte die Augen vor Wonne. »Aber ich esse, was auch die anderen essen. Ich bin keine Ausnahme.« Sie blickte wieder in den Kantinensaal. »Wo ist der Offizierstisch? Da soll ich nämlich sitzen.«
»Genossin, ich begleite Sie hin.«
Sumkow schwebte vor ihr her, als geleite er einen Engel über die Wolken.
Die beiden Offiziere, die bereits an dem langen Tisch Platz genommen hatten, sprangen auf und begrüßten die Berreskowa mit glänzenden Augen und in strammer Haltung.
»Genossin, jetzt wird es gefährlich werden!« sagte der eine. »Unsicher wird der Eisberg sein.«
»Weil ich gekommen bin?« fragte sie und setzte wieder das Lächeln auf, das den Männern in die Seele drang.
»Die Glut aller Herzen, die Ihnen entgegenschlagen, wird das Eis schmelzen.«
»Genossen Offiziere, das ist zu ändern.« Sie setzte sich auf den Stuhl, den Sumkow ihr zurechtrückte, und winkte, die beiden Strammstehenden sollten sich auch setzen. »Das Eis ist kalt, aber ich kann noch eisiger sein. Man wird's sehen …«
Sumkow goß aus einer großen Thermoskanne Tee ein, rückte den Zuckertopf heran und sagte, als spreche er etwas Unanständiges aus: »Heute abend gibt es gesäuerten Weißkohl mit Kartoffeln und roten Rüben.« Und betonter, wie ein Verschworener: »Sind Sie von der Anfahrt müde, Genossin? Sie haben keinen Hunger, nicht wahr?«
»Anatol Viktorowitsch, ich habe einen Bärenhunger und freue mich auf das Essen.«
Ja, und dann kam Malenkow. Er schlenderte heran, winkte ab, als die beiden untergeordneten Offiziere aufspringen wollten, und sah die Berreskowa mit einem kühlen Blick an. Sie erwiderte ihn mit der gleichen Kälte – daß ihr das Herz bis in den Mund klopfte, konnte niemand sehen.
Gut sieht er aus, wie immer, nur ein neuer Stolz bestimmt seine Haltung und liegt über seinem Gesicht. Ein neuer Held der Sowjetunion … Das hat ihn verändert. Wie verschwunden ist der unsichere, etwas gehemmte Mensch, der, wenn sie ihre Opernplatten spielte, leise ins Zimmer schlich und sich brav und stumm in eine Ecke setzte und sie nur mit seinen Blicken liebkoste. Nur wenig Ähnlichkeit noch ist mit dem Mann, der sich von ihr mit Worten traktieren ließ und wortlos litt, was einen Triumph in ihr auslöste, bis sie ihn aufs Bett zog und sich dann seiner Stärke beugte. Das war ein anderer Malenkow, der jetzt vor ihr stand, und sie begriff nun, daß es ein Fehler gewesen war, auf ihn zu warten.
»Bist du zufrieden?« fragte er ohne Anrede und ohne Umschweife.
Sie preßte die Lippen zusammen und antwortete durch einen Spalt: »Man muß es sein.«
»Fehlt irgend etwas?«
»Nein.« Sie hielt seinem Blick stand, nur ihre Augen verengten sich
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