Duell im Eis
Gruppe einordnen.« Sie ging voraus in das warme, langgestreckte Haus, zog ihren Pelz aus und mischte in dem mit Petroleum beheizten Samowar aus Teesud und heißem Wasser einen starken, duftenden Tee. Malenkow und Schesjekin hockten sich auf eine Bank an dem stabilen Holztisch. In der Ecke glühte der Ölofen gegen die Kälte an, die mit dem Öffnen der Tür in den Raum gedrungen war, greifbar, nebelartig, wie der Atemausstoß eines Riesen.
»Ich werde Ihnen eine Wache schicken, Ljuba Alexandrowna«, sagte Schesjekin und schlürfte den dampfenden Tee aus einer flachen, irdenen Tasse, die mit einer armenischen Blumenglasur überzogen war. Die Berreskowa hatte noch einen guten Schuß Rum hineingegeben, es duftete köstlich und wurde in dieser Umgebung zum herrlichsten Getränk der Welt.
»Männer? Ich brauche keine Männer hier.«
»Eine Wache! Wachen sind keine Männer …«
»Auch keine Wache, Genosse Admiral.«
»Allein, ganz allein wollen Sie hier leben?«
»Ja. Vor wem sollte ich Angst haben? Es gibt hier keine Banditen, niemand wird mich überfallen, und die Tiere werden friedlich sein – sie kennen noch keine Menschen.«
»Sparen wir uns jedes Wort!« Malenkow schlürfte seine Tasse leer. »Wer kann Ljuba überzeugen, wenn sie nicht will? Genosse Admiral, wir müssen vor Einbruch der Dunkelheit wieder in der Basis sein.«
Schesjekin erhob sich und wühlte sich wieder in seinen dicken Fellmantel. »Haben Sie eine Waffe, Ljuba Alexandrowna?« fragte er.
»Zwei Gewehre, eine Pistole, 200 Schuß Munition, ein Funkgerät: Ich fühle mich sicher.« Sie lachte wieder, als sie Malenkow ansah, der am Tisch hockte wie ein trauriger, heimatloser Hund. »Und was sind 30 Kilometer, Genosse?«
»Bei Sturm mit 150 Kilometer Windgeschwindigkeit und minus 70 Grad Kälte eine Ewigkeit. Sie werden vom Eis weggeweht, einfach weggeweht wie ein Zeitungsblatt.« Vizeadmiral Schesjekin ging zur Tür. »Jurij Adamowitsch, nehmen Sie Abschied von der Genossin Berreskowa. Ich warte draußen am Schlitten, aber lassen Sie mich nicht erfrieren.« Er ging hinaus, wieder flutete die Kälte nebelartig in den Raum und zerbrach an dem glühenden Ölofen.
Malenkow zog die Schultern hoch. »Ljubascha«, sagte er leise, und seine Zärtlichkeit drang tief in ihr Herz. »So oft ich kann, werde ich kommen.«
»Ja, Jurij.« Sie schlang die Arme um seinen Hals, küßte ihn mit all der Leidenschaft, die sie jetzt hergab, ohne sie nutzen zu können. »Sei vorsichtig, mein Liebster. Unsterblich ist ein Held der Sowjetunion, aber nicht dein Körper. Mußt du wieder zu den Versorgungsschiffen tauchen?«
»Nächste Woche, zusammen mit zwei anderen Schiffen.«
»Ich habe Angst, Jurij. Nie habe ich es dir gesagt, aber ein U-Boot ist etwas Schreckliches. Ich hasse es, hasse es! Ein großer, schwimmender Sarg, schon versenkt im Meer …«
Sie küßten sich wieder, streichelten über ihre Gesichter und ihre Körper und zitterten vor Sehnsucht und Begehren. Doch dann, als sie dieses unaufhaltsam schwindelnde Gefühl ergriff, stieß sie sich mit einem harten Stoß von Malenkow weg, atmete tief durch und streckte den Arm zur Tür aus. »Geh!« sagte sie rauh. »Geh endlich!«
»Ljuba«, Malenkow hob beide Hände und tappte auf sie zu, »Ljubascha …«
»Geh!« Jetzt schrie sie es und ballte dabei die Fäuste. »Hinaus! Schesjekin wartet! Nun geh doch endlich! Warum soll ich dich noch länger ansehen? Warum?«
Malenkow nickte. Er schlüpfte in seinen Fellmantel, riß die Tür auf, sprang fast hinaus in die Kälte und schlug die Tür hinter sich zu. Kurz darauf hörte Ljuba das Aufheulen des Schlittenmotors; wie der Schrei eines verwundeten Wolfes klang es, aber sie ging nicht zum Fenster und blickte hinaus, wollte sie nicht abfahren sehen, nein, sie preßte die Hände auf die Ohren, setzte sich auf die Bank und ließ die Stirn auf die Tischplatte fallen. Sie warf ihre Teetasse um, und der Tee mit dem Rum floß über ihr Gesicht.
Von der Höhe der Schlucht blickte Malenkow noch einmal zurück. Er hielt den Schlitten an und zog den mit Eiskristallen gespickten Mundschutz höher zu den Augen. Klein und erbärmlich sah von hier aus das Haus aus, kaum erkenntlich unter seinem weißen Anstrich, ein Hügelchen auf dem Eis; nur die rote Fahne blähte sich im eisigen Wind an der Stange, die man tief ins Eis gerammt hatte, damit sie allen Stürmen trotzte.
»Eine mutige Frau ist sie!« sagte Schesjekin, kaum hörbar in seinem Pelzgebirge. »Verdammt mutig,
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