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Duell im Eis

Duell im Eis

Titel: Duell im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Hände um die Steuerung gekrallt und es aufgegeben, das Flugzeug hochzureißen. Es rührte sich ja doch nichts. »Virginia«, brüllte er heiser und tastete nach ihrem Arm, »es ist nicht meine Schuld. Halten Sie sich fest, auch wenn's wenig nützt! Ich stelle den Motor ab und lasse uns fallen. Das ist noch eine Chance; gegen die Wand haben wir keine.«
    Der Höhenmesser zeigte 65,60 Fuß, knapp 20 Meter.
    Mein Gott, was sind schon 20 Meter? Nicht mehr als 20 Schritte, aber es ist etwas anderes, ob man sie geht oder herunterfällt.
    Mulder schaltete den Motor aus, und sofort sackte der Hubschrauber ab. »Festhalten!« schrie er noch einmal, zog dann den Kopf tief zwischen die Schultern und stemmte sich gegen das Armaturenbrett und die eisernen Fußstützen.
    Und dann prallten sie auf das Eis, gegen einen kleinen Hügel vor der Wand. Die Glaskanzel zerplatzte wie ein durchsichtiger Ballon, Gestänge, Eisenteile und Verkleidungen wirbelten durch die eisige Luft, und das letzte, was Virginia noch sah, war ein abgerissener Rotorflügel, der über sie hinwegflog wie ein riesiger Bumerang und dann an einer Eisspitze zerschellte. Seine Splitter kamen wie Geschosse, wie Querschläger, in die Kabine zurück. Dann war Dunkelheit um sie, Vergessen, gnädige Bewußtlosigkeit. Und Glück, denn der Benzintank explodierte nicht und ließ sie nicht in einem Feuermeer verbrennen.
    Sie kehrte ins Leben zurück wie aus einem tiefen Schlaf, und mit dem Bewußtsein kam auch die Frage: Was ist geschehen? Sie lag hingeworfen auf dem herausgerissenen Sitz inmitten der verstreuten Teile des zerplatzten Hubschraubers und wunderte sich, daß sie lebte, daß sie die Kälte spürte, daß sie sehen und hören konnte, und als sie ganz vorsichtig Arme und Beine bewegte und den Oberkörper aufrichtete, war nichts von Schmerzen zu spüren, nur eine schwere Müdigkeit lag in ihren Gliedern.
    Vorsichtig, als traue sie ihrer Unversehrtheit nicht, hob sie den Kopf und blickte herum. In der zerbrochenen halben Kanzel sah sie Benny Mulder liegen, seltsam verkrümmt und mit Flugschnee überzogen. Entsetzen packte sie. Sie richtete sich auf, kroch ungefähr zwei Meter über das Eis, bis sie es wagte, aufzustehen und wirklich zu gehen. Schwankend erreichte sie die halbierte Kanzel, kniete vor Mulder nieder und wischte den Schnee von seinem Gesicht.
    Er sah schrecklich aus, aber er lebte noch. Von der Nase über die Stirn bis zum Haaransatz zog sich eine klaffende Wunde hin, ein jetzt erstarrter Blutbach hatte das Gesicht überzogen, und aus diesem roten gefrorenen Blutsee starrten sie Mulders Augen an, trüb wie zersprungene Glaskugeln, aber doch lebend.
    »Benny«, sagte sie und beugte sich tief über ihn. »Mein Gott, Benny! Wie schön, daß Sie leben! Haben Sie Schmerzen? Die Wunde im Gesicht, die wird bald heilen. Bestimmt suchen sie uns schon, und sie werden uns finden. Benny, an allem bin ich allein schuld. Ich habe Sie zu diesem Flug überredet.«
    Mulder schloß die Augen, sein Atem war flach und von einem leisen Pfeifen begleitet. Als sich sein Mund unter dem gefrorenen Blut öffnete, kam zunächst ein heiseres Röcheln aus seiner Kehle.
    Virginia schüttelte den Kopf. »Nicht sprechen, Benny. Wir leben, und wir werden weiterleben … Liegen Sie ganz still.«
    »Der Rotor …« Mulders Stimme klang wie aus einem langen Trichter. »Gegen das Eis … zersplittert … Splitter … haben mich getroffen … Kopf … und Brust … Sie stecken drin … Muß die Lunge sein … Kann nicht atmen …« Und als Virginia ihm mit zitternden Händen die Brust freimachen wollte, röchelte er: »Nicht … nicht anfassen … Vorbei … Alles vorbei …«
    »Benny, verdammt, geben Sie nicht auf! Sie werden uns suchen.« Sie beugte sich wieder tief über ihn, nahe zu seinem Mund, aus dem die Worte immer schleppender, immer leiser drangen. Seine Lippen waren fast weiß mit einem blauen Schimmer. Er verblutet innerlich, dachte sie und begriff ihre völlige Hilflosigkeit. Aus der zerrissenen Lunge läuft das Blut in ihn hinein. Warum kommt denn niemand? Warum höre ich kein Suchflugzeug? Ihr müßt uns doch längst suchen! Benny Mulder verblutet, helft doch, helft doch! »Sie schaffen es, Benny«, sagte sie und strich über sein blutverschmiertes Gesicht. »Hören Sie auf zu sprechen, es strengt zu sehr an …«
    Mulders Atem begann hohl zu rasseln. Kleine Blutbläschen quollen über seine farblosen Lippen. »Vir… Virginia …«, sagte er leise. Seine Augen suchten

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