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Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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wie das Rückgrat eines schlafenden riesigen Tieres. Sie hatte malen wollen, dann aber bemerkt, dass sie weder ein Gefäß noch Wasser mitgenommen hatte. Also war sie aufgestanden, hatte ihre Schuhe ausgezogen und ordentlich vor der Bank abgestellt und hatte dann aus einem Mülleimer mit spitzen Fingern einen leeren Plastikbecher gefischt, in dem einmal Kartoffelsalat aufbewahrt worden war. Damit war sie zum Wasser gelaufen, hatte den Becher ausgespült und gefüllt und war zu ihrer Bank zurückgekehrt.
    »Ich bin nicht ertrunken, ich habe gemalt«, sagte sie noch immer verwirrt.
    »Nee, du bist nicht ertrunken, wärst du aber fast.« Er ließ ihre Hände los und stand wieder auf.
    »Jetzt mal ehrlich, Jan«, setzte sie an. »Ich gebe ja zu, dass ich etwas getrunken hatte. Vielleicht auch ein bisschen zu viel, okay. Aber ich wollte wirklich nur malen. Ich brauchte Wasser, das habe ich mir geholt, aber ich erinnere mich genau, dass ich damit zurück zu meiner Bank gegangen bin. Da auf dem Tisch liegt mein Block! Du kannst nachsehen. Wäre ich nicht heil aus dem Wasser gekommen, hätte ich kaum ein Bild zustande gebracht.« Sie freute sich über ihre schlüssige Erklärung. Andererseits fehlten ihr noch immer die letzten Minuten. Und wenn dieser Strandkorbvermieter sie ins Hotel gebracht hatte, musste irgendetwas passiert sein.
    Jan hob das Deckblatt hoch, blätterte und sah interessiert ihre Skizzen an. Dann pfiff er anerkennend durch die Zähne. Jo reckte sich, um sehen zu können, welche der Zeichnungen ihm so gefiel. Sie konnte erkennen, dass es ein farbiges Bild war. Es musste das von gestern Abend sein.
    »Alle Achtung!«, sagte er beeindruckt.
    »Zeig mal!«
    Er hob den Block an, und Jo war selbst überwältigt. Genau so hatten die Dünen, hatte der Mond ausgesehen! Und jetzt erinnerte sie sich auch wieder. Sie hatte die Leinenbluse, die sie offen wie eine Jacke getragen hatte, ausgezogen, weil die weiten Ärmel sie beim Malen gestört hatten. Ihr fiel wieder ein, dass sie sie ordentlich zusammengefaltet und auf die Schuhe gelegt hatte. Warum sie es so gemacht hatte, wusste sie nicht mehr. Das Tuschwasser war nach einiger Zeit so verdreckt gewesen, dass sie es austauschen wollte. Also war sienoch einmal zur Uferlinie gelaufen. Mehrfach, wie sie sich jetzt erinnerte. Sie musste beim letzten Mal gestürzt sein. Oder dieser Anton war aufgetaucht, hatte sie angezogen im flachen Wasser stehen sehen und falsche Schlüsse gezogen. Was hatte er überhaupt um die Zeit am Strand verloren?
    »Ich weiß nicht mehr, was genau passiert ist.« Sie rieb sich erschöpft die Schläfen. »Aber ich kann dir versichern, dass ich mir nichts antun wollte.«
    »Hm«, machte er. Das klang nicht gerade überzeugt.
    »Woher weißt du eigentlich, dass ich … dass ich nach Hause gebracht worden bin?«
    »Ich arbeite hier. Schon vergessen? Es gab kein anderes Thema, als ich zum Frühdienst angetreten bin.«
    »O Gott, wie peinlich!« Jo zog sich das Laken über den Kopf. »Ich kann mich nirgends mehr blicken lassen«, nuschelte sie darunter hervor. Dann schlug sie die Decke schwungvoll zurück und ließ die Arme darauf sinken. »Ich werde wohl beim Wasserholen gestolpert sein – wenn dieser nette Herr Anton nicht übereifrig war. Mit dir hatte das jedenfalls nichts zu tun«, erklärte sie abschließend und fügte dann doch noch hinzu: »Obwohl du mich ziemlich gekränkt hast.«
    »Ich bin wohl ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen«, gab er zu.
    »Ein bisschen?«
    »Ja, ist ja gut. Ein bisschen sehr. Ich habe eben schon mal schlechte Erfahrungen gemacht mit einer jungen Dame, die mich für ziemlich naiv gehalten hat und mich ausnutzen wollte. Deshalb habe ich so überreagiert.«
    Jo verschränkte die Arme vor der Brust. Was hatte sie mitirgendeiner jungen Dame zu tun? Warum musste sie sich beleidigen lassen wegen der Dinge, die die irgendwann getan hatte? Trotzdem: So sehr sie sich auch um einen bösen Blick bemühte, er wollte ihr nicht gelingen. Selbst ein Tyrann hätte bei diesem Anblick nicht hart bleiben können. Jan stand mit hängenden Schultern vor ihr. Er trug die Arbeitshose, ein Hosenbein war bis über das Knie aufgerollt, das andere bis kurz darunter. Sein T-Shirt trug er links herum. Er starrte auf den Boden und nagte auf seiner Unterlippe. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte ihn in den Arm genommen, doch so einfach war das alles nicht.
    »Ich wollte dir wirklich helfen«, sagte sie nachdrücklich. »Weil ich

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