Duenenmord
Weiter- und Fortbildungen absolviert und sich rasch eingearbeitet.«
»Wie hat sie die Bewerbung in Ihrer Einrichtung eigentlich begründet?«
»Sie wollte neu anfangen«, antwortete Mahldorn prompt. »Ich erinnere mich noch genau an diese Worte. Rügen sei zwar schön, aber es war die DDR; viele wollten mal raus, und sei es nur zeitweise. Konnte ich verstehen.«
»Welchen Eindruck hatten Sie von ihr?«
»Och, wie gesagt, sie arbeitete sich zügig ein und war hochinteressiert an ihrem Beruf«, erläuterte Mahldorn.
»Und sonst so?«
»Na ja, ganz sympathisch, aber um ehrlich zu sein: Sie war nicht mein Typ.«
»Warum nicht?«
»Keine Ahnung, einfach so.« Das klang ein wenig genervt.
Vielleicht ist er mal bei ihr abgeblitzt, überlegte Romy, sprach den Gedanken aber nicht aus. »Gab es berufliche Auseinandersetzungen mit ihr?«
»Nein, eigentlich nicht … Sie war manchmal etwas barsch im Umgang mit den Kindern, aber sie hat die ganz gut im Griff gehabt«, erörterte Mahldorn. »Besser als manch anderer.«
Engagiert im Job, zielstrebig, aber auch barsch, energisch, ungeduldig, aggressiv, die Kinder mussten spuren, ließ Romy die Beschreibungen auf sich wirken. Monika war Erzieherin geworden, hatte aber keine eigenen Kinder gewollt, um ihren Mann nicht teilen zu müssen, wie Kasper Barendsens Schilderungen wiedergeben hatte. Was war in der Frau vor sich gegangen? Hatte sie in den letzten Jahren, seit ihrer Ehe mit Michael Sänger, ein Mittel gefunden, ihre Aggressionen zu beherrschen, zu kanalisieren?
Sie schob ihre Überlegungen beiseite, um sich wieder auf das Telefonat zu konzentrieren. »Können Sie sich an ernste Probleme mit Eltern oder hervorstechende Konflikte mit Kindern entsinnen?«, setzte sie die Befragung fort.
»Ach du liebe Güte, wie meinen Sie das denn?«, staunte Mahldorn. »Wenn Sie mit Kindern arbeiten, gibt es dauernd irgendwelchen Zoff. Mal ist es alltäglicher Kleinkram, mal auch mehr, und die Ursachen sind so individuell wie die einzelnen Kinder.«
Romy seufzte unterdrückt. Sie würde nicht umhin kommen, die Katze aus dem Sack zu lassen. »Gab es Beschwerden oder gar Verdachtsmomente, die den Schluss nahelegten, die Frau könnte übergriffig geworden sein?«, präzisierte sie.
Mahldorn schwieg sekundenlang. »Was genau meinen Sie damit?«
»Ich spreche von Gewalt und starken Aggressionen sowieMissbrauch«, konkretisierte Romy. »Und ich muss Sie dringend ersuchen, unser Gespräch absolut vertraulich zu behandeln.«
»Ich verstehe, das ist doch selbstverständlich«, versicherte Mahldorn erschrocken. »Aber ich weiß nichts von derartigen Vorkommnissen«, fügte er nach längerem Überlegen hinzu. »Damit hatten wir hier noch nie etwas zu tun, das können Sie mir glauben. Allerdings …«
Die Kommissarin spitzte die Ohren.
»Tja, jetzt, wo Sie es sagen … Also, es gab einen Vater, mit dem Monika mal richtig aneinandergeraten ist. Ich weiß nicht, was da los war. Ich war eine Weile krank gewesen, und am Tag meiner Rückkehr habe ich mitbekommen, dass es im Büro lautstark zur Sache ging – ungewöhnlich lautstark, sonst würde ich mich nach so langer Zeit wohl kaum daran erinnern. Erst mit dem Vater und später dann mit der damaligen Leiterin, Hannelore Biegel – die können Sie allerdings nicht mehr darauf ansprechen. Sie ist im letzten Sommer gestorben. Und ich erinnere mich auch an keine Einzelheiten der Auseinandersetzung oder Wortfetzen, nur, wie gesagt, dass es laut und heftig war.«
Romys Puls hatte sich merklich beschleunigt. »Wann war das ungefähr?«
»Ich glaube, fünf, sechs Monate bevor sie uns verließ, aber das ist nur ein ungefährer …«
»Schon klar«, unterbrach Romy. »Und dieser Vater – können Sie sich an den Namen erinnern?«
»Das nicht, aber wenn ich mir die Liste der Kinder aus jenem Jahr ansehe, fällt er mir bestimmt ein. Soll ich mal nachsehen? Dauert nur wenige Minuten.«
»Wenn das kein Angebot ist! Ich warte gerne.«
Mahldorn war vier Minuten später zurück. Es raschelte in der Leitung. »Frau Kommissarin?«
»Immer noch am Apparat.«
»Der Name des Vaters lautet Jochen Bäsler. Es ging um seine Tochter Katrina. Sie war damals sechs Jahre alt. Vielleicht hilft Ihnen das weiter.«
Romy schnappte nach Luft. »Sie haben mir sogar sehr weiter geholfen«, sagte sie schließlich leise. »Danke.« Sie legte auf.
Bäsler. Als sie am Sonntag mit ihm gesprochen hatte, war es um Stefan Heise und Rolf Arnolt gegangen, um den Brief und die
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