Duenenmord
Fotos, die er umsichtigerweise seinerzeit an die Mutter weitergeleitet hatte, und sie hatte Monika nur beiläufig erwähnt. Aber nun war auch klar, warum Monika Bäsler bei ihren Prora-Recherchen außen vorgelassen und sogar vehement abgewiegelt hatte, als Dieter Keil anbot, ihr zu helfen. Die Auseinandersetzung musste einen ernsten Hintergrund gehabt haben, so ernst, dass sie Monate später die Kita verließ, um nach Rügen zurückzukehren. Vielleicht hätte ihr spätestens in dem Augenblick, als ihr Bäsler erneut über den Weg lief, bewusst werden müssen, dass man nicht an einer alten Geschichte rütteln konnte, ohne dass auch andere in Bewegung gerieten.
Romy stand auf und ging nach drüben, um sich Kaffee und einen Imbiss zu besorgen. Kasper und Max hatten die Köpfe zusammengesteckt, Fine hing am Telefon. Es war inzwischen später Nachmittag und längst dunkel. Sie ging zurück in ihr Büro und wählte Bäslers Nummer. Diesmal meldete sich nur der Anrufbeantworter, und Romy bat um Rückruf. Der erfolgte fünf Minuten später.
»Ich stand gerade unter der Dusche«, erklärte Bäsler in aufgeräumtem Tonfall. Er schien gute Laune zu haben. Nicht auszuschließen, dass die bald verflogen sein würde. »Suchen Sie immer noch nach alten Spati-Geschichten?«
Romy war plötzlich elend, und sie hoffte inständig, dass sie den Mann nicht völlig unnötig aufwühlte. Vielleicht war es ein bescheuerter Streit gewesen, nicht mehr, nicht weniger,und Mahldorn hatte sich nur wichtig machen wollen. »Wir haben inzwischen eine andere Spur aufgenommen, Herr Bäsler, eine, die uns noch viel weniger gefällt, wenn ich mal persönlich werden darf.«
»Klingt ernst.«
»Das ist es.« Romy stand auf und stellte sich ans Fenster. »Stimmt es, dass Ihre Tochter Katrina in den 90er Jahren eine private Kita in Kiel besuchte?«
Die Stille währte nur kurz. »Ja, sie war zwei oder drei Jahre bei den Zwergen in Kronshagen«, erwiderte Bäsler perplex. »Aber …«
»Erinnern Sie sich an eine Erzieherin namens Monika Barendsen?«
»Ja, durchaus, aber …«
»Sie hatten mal einen heftigen Streit mit ihr.«
»Auch das stimmt. Sagen Sie mal …«
»Worum ging es in der Auseinandersetzung?«
»Darauf antworte ich Ihnen erst, wenn Sie mir erklären, was das alles soll!«, betonte Bäsler energisch.
»Na schön. Monika Barendsen hieß vor ihrer ersten Heirat Arnolt. Sie ist Rolfs Schwester gewesen. Später heiratete sie ein zweites Mal und nahm den Namen ihres Mannes an: Sänger. Sie ist das Mordopfer.«
»Das ist kaum zu fassen«, erwiderte Bäsler tonlos, nachdem er sekundenlang geschwiegen hatte. »Rolfs Schwester? Meine Güte, was hat sie in Kiel gemacht?«
»Was hat sie mit Ihrer Tochter gemacht?«
»Katrina hatte blaue Flecken an den Oberarmen, nicht nur einmal. Ich dachte zunächst, das wäre beim Spielen passiert, vom Gerangel mit anderen Kindern«, begann Bäsler zu berichten. »Dann erzählte meine Frau, wir waren damals noch verheiratet, dass Katrina unruhig schlief und irgendwie ängstlich wirkte. Ich habe nachgehakt, und die Kleine erzählte uns schließlich, dass Moni grob geworden sei – mehrfach. Tja,daraufhin habe ich in der Kita ein sehr großes Fass aufgemacht, das können Sie sich wohl vorstellen. Niemand packt meine Tochter ungestraft an!«
Romy schluckte. »Wie hat Monika reagiert?«
»Sie hat es abgestritten und ist richtig unverschämt geworden. Ich dachte, die geht auf mich los, so wütend wurde die. Aber sie hat nicht lange danach die Kita verlassen müssen. Besser war es. Dass sie die Schwester von Rolf war … Das ist schwer zu glauben. Rolf war ganz anders … Wow, das muss ich erstmal sacken lassen.«
»Wissen Sie, ob es noch andere Kinder gab, die Probleme mit Monika hatten?«
»Darum habe ich mich, ehrlich gesagt, nicht gekümmert. Ich habe der Frau gesagt, dass sie mich so richtig kennenlernt, wenn sie meine Tochter auch nur noch einmal schräg anguckt. Und ich meine, was ich sage, das können Sie mir glauben. Ich hätte nicht lange gefackelt.«
»Schon klar, Herr Bäsler. Was macht Ihre Tochter denn jetzt so?«
»Sie studiert und macht gerade ein Auslandsjahr in Australien.« Das klang stolz.
»Geht es ihr gut?«
»Aber ja, sehr sogar. Warum fragen Sie?«
Romy schloss kurz die Augen. War es ihre Aufgabe, hier einzugreifen und möglicherweise Wunden zu schlagen, die völlig unnötig waren? Vielleicht hatte Monika in diesem Fall lediglich unbeherrscht zugepackt, vielleicht war mehr
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