Duenenmord
hundertprozentig davon überzeugt war, dass Monika … schuld am Tod eines kleinen Kindes sein könnte oder aber in der Lage gewesen war, einen Unfall zu vertuschen, um nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. Ich hatte sie verurteilt, ohne auch nur einmal nachzufragen – warum?«
»Und?«
»Ich hielt sie tatsächlich für fähig, Derartiges zu tun. Sie war manchmal so unbeherrscht, unberechenbar und voller Wut …«
»Sie haben sich davongestohlen«, stellte Romy in eisigem Ton fest. »Einfach so. Das Entsetzen beim Anblick der Kindersandale haben Sie beiseitegeschoben, ebenso die verdächtig schnelle Bereitschaft, Ihre damalige Lebensgefährtin einer solchen Tat zu bezichtigen. Das Leid der Angehörigen interessierte sie ebensowenig wie die Tatsache, dass der Junge niemals gefunden wurde. Sie haben Rügen verlassen und sind durch die Weltgeschichte gereist! Super Idee! Jetzt interessiert mich nur noch, wie Sie sich dabei gefühlt haben? Konnten Sie Ihre Reise genießen?«
Poschke starrte sie mit großen Augen an, während Romy spürte, wie die Wut unaufhaltsam wie ein Ballon in ihr hochstieg. »Haben Sie manchmal von der Sandale geträumt? Oder von Monika?«
Er nickte langsam. »Oft sogar.«
»Die Träume werden Ihnen garantiert erhalten bleiben, zumindest hoffe ich das sehr.« Sie stützte die Hände auf dem Tisch ab. »Wissen Sie eigentlich, was Monika sonst noch so getrieben hat?«, brüllte sie ihn plötzlich an. »Ich sag’s Ihnen: Nach unseren bisherigen Erkenntnissen hat sie sich des Kindesmissbrauchs schuldig gemacht. Wieviel haben Sie davon mitbekommen, ohne zu irgendeiner Reaktion fähig zu sein? Wissen Sie was – Typen wie Sie kotzen mich so was von an, dass mir die Wort fehlen, und das passiert ausgesprochen selten!« Romy sprang so heftig auf, dass ihr Stuhl beinahe umgekippt wäre.
»Romy«, sagte Kasper warnend. »Es reicht.«
»Da bin ich anderer Meinung, aber schon gut!« Sie setzte sich langsam wieder und starrte Poschke an. »Warum? Warum haben Sie so getan, als ginge Sie all das nichts an?«
»Ich hatte Angst vor ihr und Angst vor dem, was geschehen war. Ich wollte nichts davon wissen«, entgegnete er. »Ja, ich bin davongelaufen, so wie Monika auch. Als wir uns das letzte Mal sahen, sagte sie, dass sie ein völlig neues Lebenanfangen wolle. Es gäbe vieles, was sie von Grund auf ändern müsste. Es ging ihr nicht gut, das können Sie mir glauben«, versicherte Poschke eindringlich. »Sie war ziemlich fertig, und ich dachte, dass sie auf ihre Art dafür büßen muss. Jeder muss auf seine ganz eigene Art büßen, für alles im Leben. Ich auch.«
»Mir kommen die Tränen«, kommentierte Romy zynisch. »Sie hat in einer anderen Kita angefangen, und wie es aussieht, galt sie auch dort nicht unbedingt als leuchtendes Beispiel ihrer Zunft. Und als es dort richtig eng wurde, kehrte sie wieder nach Rügen zurück …«
Sie heiratet ein zweites Mal, führt eine halbwegs harmonische Ehe, lässt ihre Stieftochter in Ruhe, so klingt es zumindest nach den ersten Aussagen der Sängers, macht ihren Job derart gut, dass sie zur Leiterin einer Kita aufsteigt und lebt ein normales Leben, fasste Romy im Stillen Monikas Werdegang zusammen.
Hat sie sich tatsächlich von Grund auf geändert oder allmählich wichtige Schritte vollzogen? Sie könnte »damit« aufgehört haben, hatte Max letztens als Erklärung vorgeschlagen. Ja, möglich. Oder wissen wir nur zu wenig? Was ging in dieser Frau vor sich? War die Aggression gegen Bäslers Tochter ein Ausrutscher nach vielen Jahren, in denen es ihr gelungen war, sich zu kontrollieren? Oder steckte mehr dahinter? Es steckte immer mehr dahinter. Sie war Täterin und wurde Opfer, und zwar ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als sie begonnen hatte, sich mit ihrer Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Konrad Arnolt. Romy schüttelte den Kopf. Will ich wissen, was der Mann alles auf dem Kerbholz hat?
Sie atmete tief durch und fasste Poschke wieder ins Auge. »Sie haben erzählt, dass Monika an jenem Tag zwischenzeitlich nach Hause kam, um sich umzuziehen.«
»Ja, sie hat schnell geduscht, von dem Unglück erzählt und ist in aller Eile wieder aufgebrochen.«
Romy sah Kasper an und spürte, dass sie beide den gleichen Gedanken hatten. Monika hatte das Kind in ihrem Wagen versteckt und nach der Suchaktion verschwinden lassen. Vielleicht war Jurek Zeuge geworden, vielleicht hatte sie in einem ganz anderen Zusammenhang die Beherrschung verloren und das Kind
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