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Duenenmord

Duenenmord

Titel: Duenenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Peters
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wutentbrannt niedergeschlagen. Oder es war ein Unfall gewesen, für den sie nicht hatte geradestehen wollen.
    Romys Magen schloss sich zu einer Faust zusammen. Sie stand auf und verließ das Vernehmungszimmer ohne ein weiteres Wort.
    In der Nacht nach ihrem Besuch bei Jureks Mutter schlief sie nicht. Die Angst kroch aus allen Ecken des Hauses auf sie zu und ergriff, die Zeit in sich aufsaugend, Besitz von ihr. Warum? Warum gerade jetzt?, hatte sie die Kraft zu denken und begann schließlich mit ihren alten Ritualen: putzen, von null bis hundert zählen und zurück, die Räume durchschreiten und Schritte zählen, die Kacheln im Bad zählen. Zählen war gut, erzählen auch. Wirf dir selbst eine Geschichte zu, gib dem Hirn etwas zu denken und lass die Angst einfach stehen – bis sie kleiner und zaghafter wird und ihre Schärfe verliert. Irgendwann trat dann die fast schon lächerlich große Erleichterung ein, wenn der Puls sich normalisiert hatte und ein Gefühl für Alltäglichkeit die Oberhand gewann, für das Ich mit all seinen Ecken und Kanten, seiner Vertrautheit und Beständigkeit, seiner Emsigkeit und Unverrückbarkeit. Dann war es vorbei – wie eine mächtige Welle, die den Strand erobert hatte, aber schließlich leise zischend zurückfloss, um irgendwann mit neuer Kraft zurückzukehren. Wann auch immer.
    Wie konnte ich Jurek vergessen, dachte Silke, als sie sich mit einer Kanne Tee vor den Kamin setzte und erschöpft in die Flammen blickte. Aber das war eine rhetorische Frage.Sie hatte ganze Tage vergessen und im Dunklen ihr Spiel mit sich treiben lassen, und als sie wieder aufgetaucht waren, hatte sie sich ihnen schließlich gestellt, sie mit mutig erhobenem Kinn herausgefordert, sogar bekämpft und niedergerungen, um nun erkennen zu müssen, dass sich nichts geändert hatte, bis auf das Wissen um die Ereignisse.
    Die Bilder und Geschichten waren zurückgekehrt an den Strand der Erinnerungen. Nun war die Frau mit den gierigen Augen tot. Ihr Flehen, so unerwartet und stark es gewesen war, hatte sich als wirkungslos erwiesen. Aber ihr Tod auch. Das war die schlimmste Erkenntnis.
    Vielleicht endet es erst mit meinem Tod, dachte Silke. Aber sie traute diesem durchaus verführerischen Gedanken nicht. Wer sagte, dass es dann tatsächlich vorbei sein würde? Diese Gewissheit gab es auch nicht. Welche gab es dann?
    In der Morgendämmerung schlief sie auf dem Sofa ein und träumte von Jurek. Von dem hübschen Jungen mit den Grübchen und dem Zeichenblock. »Eines Tages bin ich groß, und dann heirate ich dich«, hatte er irgendwann einmal gesagt, und er wiederholte dieses Versprechen mit strahlendem Lächeln. »Aber du darfst niemals deine Zöpfe abschneiden, hörst du?«

15
    Sie war auf direktem Weg nach Sassnitz ins E-Werk gefahren, wo sie im Jugendzentrum Boxtraining anbot und sich selbst fit hielt oder zwischendurch einfach mal Dampf abließ. So wie an diesem Tag. Nach einer Dreiviertelstunde Seilspringen, Schattenboxen und Sandsacktraining lief der Schweiß in Strömen, und es gelang ihr endlich abzuschalten. Außer ihr trainierte noch ein großgewachsener junger Mann, mit dem sie schließlich in den Ring stieg, um drei Runden zu absolvieren. Der Typ schenkte ihr, wie ausdrücklich vereinbart, nichts. Seine rechte Gerade war knochentrocken, und er war trotz seiner Größe flink auf den Beinen. In der zweiten Runde servierte er Romy einen Haken, der sie in vollendeter Manier auf die Bretter schickte. In der dritten revanchierte sie sich mit einem kraftvollen Punch. Nach dem abschließenden Saunagang fühlte sie sich körperlich angenehm müde und geistig frisch.
    Ihr Herz tat immer noch weh, sobald das Bild von der Sandale in ihr hochstieg, aber sie hatte sich wieder soweit im Griff, dass sie eine Vernehmung von Wassernixe würde leiten können. Das jedenfalls behauptete sie, als sie sich mit Kasper verabredete, und der widersprach ihr nicht. Ob er ihre Meinung tatsächlich hundertprozentig teilte, vermochte sie nicht zu sagen.
    Silke Kronwald wohnte in Schabernack, nicht weit vom Arndt-Geburtshaus in Groß Schoritz entfernt. Romy fuhr über Binz und Putbus in Richtung Garz. Dunstige Schneeluft lag über der Insel, und sie brauchte fast fünfundsiebzig Minuten für die Strecke. Der Nachmittag war angebrochen und mit ihm die blaue Januar-Dämmerung Rügens. Vor demabgelegenen, reetgedeckten Fachwerkhaus, das sich hinter einen Hügel schmiegte und in dem aus mehreren Fenstern Licht strömte, stand bereits Kaspers

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