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Duenenmord

Duenenmord

Titel: Duenenmord
Autoren: Katharina Peters
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dachte Romy. Sie sah Kasper an. »Hast du schon überprüft, mit wem er zuletzt telefoniert hat?«
    »Habe ich.«
    »Und?«
    »Mit einem guten Bekannten – Michael Sänger.« Kasper hob die Brauen. »Fahren wir da gleich hin?«
    Romy überlegte nur kurz. »Ja. Was ist mit den Nachbarn? Sind die schon befragt worden?«
    »Alles in die Wege geleitet. Außerdem treffen die Greifswalder gleich ein, und ein Kollege wirft schon mal einen Blick in Leihms persönlichen Kram und benachrichtigt die Angehörigen. Der Mann war schon seit Ewigkeiten geschieden, eine Tochter lebt in Stralsund. Die ist bereits unterwegs, der Sohn konnte noch nicht erreicht werden. Darum kümmert sich aber bereits Fine.«
    Bevor sie das Schlafzimmer verließen, drehte Romy sich noch einmal zu Dr. Soldau um. »Danke, Doktor, sehr aufmerksam.«
    »Keine Ursache.« Der Arzt lächelte liebenswürdig.
    Schöne braune Augen hat er, dachte Romy. Und ein Faible für Rechtsmedizin.Schneewolken und Wiek schienen sich zu berühren. Noch ein paar Tage strenger Frost, und sie würde Schlittschuhlaufen können. Das Singen der Kufen auf dem Bodden war ein Kindheitsgeräusch, das ihr Herz erwärmte. So wie der Geruch nach Schnee und Salz und der Schrei von Seevögeln. Gute Erinnerungen. Sie gab es auch. Das vergaß sie manchmal.
    Das Handy vibrierte in ihrer Brusttasche. Sie widerstand dem Impuls, den Anruf zu ignorieren, zog es heraus und stellte die Verbindung her. Die Polizei überprüfte in regelmäßigen Abständen, wo sie sich aufhielt. Aber es war nicht das Kommissariat, sondern ihre Mutter – mit dem gleichen Motiv.
    »Wo bist du denn?«, wollte sie wissen.
    »Unterwegs, am Wasser.«
    »Ach? Und was machst du da?«
    »Ich beobachte, wie es zufriert.«
    Pause. Silke lächelte.
    »Du bist merkwürdig«, bemerkte ihre Mutter schließlich. »Das warst du schon immer.«
    »Hast du nie darüber nachgedacht, warum?« Die Frage war ihr einfach herausgerutscht.
    »Doch, natürlich! Ich habe dich sogar gefragt, immer wieder, und du hast dich nie geäußert.«
    »Ich konnte nicht, weil ich selbst nicht wusste, was los war«, entgegnete Silke zu ihrer eigenen Verblüffung.
    »Und jetzt weißt du es?«
    Silke zog die eisige Luft in die Lungen. »Ja.« Dann unterbrach sie die Verbindung.
    Und wenn der Abend am Strand doch mit einer anderen Schlussszene geendet hatte als mit derjenigen, an die sie sich im Moment entsann? Hatten die Erinnerungen ihr einen Streich gespielt, weil sie die Wahrheit nicht ertragen konnte? Diesmal die Wahrheit über sich selbst und ihr mörderischesTun? Die Frage kroch in ihr hoch wie aufsteigender Eisnebel. Jeder Mensch ist fähig, einen Mord zu begehen, hatte sie mal irgendwo gelesen, weil jeder Mensch seinen Preis hat, seine wunde Stelle, seine individuelle Angst.
    Sie wandte sich um und wanderte zum Haus zurück. Der Postbote war schon da gewesen. Silke zögerte nur einen winzigen Moment, bevor sie den Brief von Jureks Mutter öffnete und die Zeichnung aus dem Umschlag nahm. Das Mädchen mit den Zöpfen.

17
    Michael Sänger war kalkweiß. »Das kann nicht wahr sein«, flüsterte er, als Romy und Kasper vor der Tür standen und ihn über Leihms Tod informierten.
    »Dürfen wir kurz hereinkommen?«, fragte Romy, als Sänger keine Anstalten machte, sie ins Haus zu bitten.
    »Bitte? Ach so, ja, natürlich.« Er ging voraus ins Wohnzimmer und blieb vor einem Beistelltisch stehen, der neben der Couchgarnitur stand. Ein Schachbrett mit bereitgestellten Figuren thronte in der Mitte. »Hier haben wir gestern Abend noch zusammengesessen … Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Was ist denn passiert?« Er drehte sich um und wies mit einer fahrigen Bewegung auf den Esstisch. »Nehmen Sie doch Platz.«
    Romy ließ einen Moment den Blick schweifen, um anerkennend festzustellen, dass Sänger ein ordentlicher Hausmann zu sein schien oder aber eine engagierte Putzfrau hatte. Nirgendwo stand Geschirr herum, zumindest nicht in der guten Stube, es gab auch keine achtlos hingeworfenen Pullover oder Zeitungen, die sich auf Tisch oder Fußboden stapelten, und der Teppich wurde sicherlich regelmäßig gesaugt. Bei mir sieht es deutlich chaotischer aus, dachte Romy mit leisem Seufzen. Sie spürte Kaspers fragenden Seitenblick.
    »Wir wissen noch nicht genau, was geschehen ist«, beantwortete sie Sängers Frage etwas verspätet. »Möglich, dass er sich irrtümlicherweise zuviel Insulin gespritzt hat und aufgrund der Unterzuckerung ins Koma fiel.«
    »Was? Ist
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