Duerers Haende
Jetzt, wo die Ermittlungen so richtig angelaufen sind, brauchen Sie mich vielleicht?«
»Brauchen schon. Aber das geht nicht. Denn dafür müsste ich für Sie eine Sondergenehmigung beantragen. Und das ist der Aufwand nicht wert. Wenn Sie am Freitag da sind, ist mir schon viel geholfen.«
»Frau Steiner, kommt denn jetzt Herr Bartels wieder? Brauchen Sie mich nächste Woche noch oder nicht?« Zwei simple Fragen, betont lässig und teilnahmslos vorgebracht. Doch sie hörte hinter der Gleichgültigkeit den drängenden Wunsch heraus, auf beide Fragen die richtige Antwort zu bekommen. Sie gab sie ihr gern.
»So, wie es derzeit aussieht, kommt Herr Bartels nächste Woche noch nicht. Ich hatte seinen Zustand wohl zu positiv eingeschätzt. Und selbst wenn er käme, bräuchte ich Sie auch weiterhin. Wir, Sie und ich, ziehen diesen Fall jetzt gemeinsam durch. So lange müssen Sie es schon bei mir aushalten.«
Eva Brunner bedankte sich mit einem strahlenden Lächeln. »Dann kann ich den Kollegen Bartels doch heute Abend mal im Krankenhaus besuchen. Im Krankenhaus ist es immer langweilig, ich denke, da freut sich jeder über Besuch. Man kommt auf andere Gedanken, die Zeit vergeht schneller. Oder soll ich das nicht machen?«
»Nein, nein. Machen Sie das ruhig. Das ist eine gute Idee.«
Bei der Vorstellung, wie Heinrichs »würdiger Ersatz« in wenigen Stunden an dessen Krankenbett sitzen und ihm von diesem »wahnsinnig interessanten, spannenden, aufregenden Mordfall« erzählen würde, musste sie grinsen. Was hieß hier gute Idee? Das war eine Jahrhundertidee! Besser und wirksamer als alles, was Frau Dr. Leipold oder ihr selbst hätte einfallen können.
Als sie in die Regensburger Straße einbogen, summte sie den Beatles-Song, der in den kleinen Glücksmomenten ihres Lebens immer herhalten musste – »From Me To You«.
4
Am Donnerstagmorgen um sieben Uhr wurde sie durch das hartnäckige Klingeln ihres Telefons aus einem wilden Traum gerissen: Sie lebte in Bagdad, in einem Hochhaus, bei einer Großfamilie, und war auf dem Weg in die Oper. Doch keine von den Frauen war bereit, ihr für diesen Gang außer Haus ein Kopftuch zu leihen, und es wurde immer später. Die Zeit drängte. Noch beim Aufwachen spürte sie ihre Angst, die Aufführung zu verpassen.
Es war Matthias Breitkopf vom Kriminaldauerdienst. »Dein Lkw ist da.«
»Wo?«
»Zwischen Kinding und Pfraundorf, Abfahrt Altmühltal. Richtung Pfraundorf rechter Hand. Es gibt auf der Strecke nur eine Parkbucht. Du kannst sie nicht verfehlen.«
»Ich bin schon unterwegs.«
Fluchend stieg sie aus dem Bett, zog sich die Sachen über, die im Badezimmer auf der Waschmaschine lagen, und verließ die Wohnung. Mit jedem Kilometer, den sie auf der A9 zurücklegte, wuchs ihr Appetit auf einen Kaffee und die Gier nach einer Zigarette. An der Raststätte Greding hielt sie an und kaufte sich einen Becher Kaffee. Es nieselte. Sie setzte sich auf den Beifahrersitz, öffnete die Wagentür weit und zündete sich eine Zigarette an. Dazu schlürfte sie den brühheißen Kaffee.
Sie sah hinüber auf den Ortskern von Greding, der von feuchten Wiesen und schwarzgrünen Bäumen eingerahmt war. Darüber die Sonne, unscharf wie zerlaufener Dotter. Für den Bruchteil einer Sekunde durchströmte sie ein warmes Glücksgefühl. Wie gut es ihr doch ging! Der Druck der Hetzerei und der Ärger, der während der Fahrt in einen Wutausbruch umzuschlagen drohte, war vergessen. Jetzt freute sie sich auf ihren Einsatz. Auf die Arbeit, die vor ihr lag, und vor allem darauf, an diesem frühen Morgen gebraucht zu werden. Das erschien ihr als ein großes Privileg, das sie von den anderen Besuchern der Raststätte unterschied. Diese mussten vielleicht kilometerlange Staus und Umleitungen in Kauf nehmen und würden dabei Gift und Galle spucken. Während sie schon fast am Ziel war.
Eine Viertelstunde später hielt sie an der kleinen Parkbucht an. Hinter den Sperrbändern drängten sich auf engem Raum Menschen, die meisten in Uniform, und Autos. Als Erstes erkannte sie Klaus und Klaus von der Spurensicherung, die in ihren weißen Overalls und Handschuhen aus der Menge hervorleuchteten.
Klaus Dennerleins Gesicht hellte sich auf, als er sie sah. Er eilte auf sie zu.
»Na endlich, Paula. Also, der Laster ist noch verplombt. Es sieht nicht so aus, als ob von der Ladung etwas fehlen würde. Klaus und ich sind mit den Fingerabdrücken außen am Wagen schon fast fertig. Was meinst du, sollen wir den Lkw nach
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